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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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schwindlig.
    »Hier.« Nimrod schob sie auf eine dunkle Gasse zu. »Dort wohnt die Weissagerin.«
    Hier stapelten sich die baufälligen Häuser übereinander wie ein eingestürzter Haufen von Cornflakes-Schachteln. Was war das nun wieder? Kinder und Ziegen bevölkerten die Straßen. Überall häufte sich der Müll, weil die Menschen hier keine Höfe besaßen, in denen sie ihn kompostieren konnten. Fliegen und Hunde kämpften um die verwesenden Hinterlassenschaften. Doch unter dem beißenden Gestank des Abfalls schmeckte Chloe scharfes Salz. Den nahen Hafen.
    »Das Zeichen für Weissager.« Nimrod deutete auf ein in die Lehmziegelwand gedrucktes Zeichen. »Ninhursag, die Göttin der Erde. Hier wohnt ihre Alte.«
    Chloe merkte, wie sich ihre Nackenhärchen aufstellten. Sie blieb stehen.
    »Geh schon rein«, spornte Nimrod sie an. »Ich als Mann bin dort nicht gern gesehen.«
    »Ich gehe ... einfach zu ihr hinein? Ohne vorherige Verabredung, ohne Geschenk?«
    »Gib ihr ein paar von den runden Dingern. Sie nimmt auch Esswaren.«
    Chloe war ausgesprochen unschlüssig. »Die sind mir ausgegangen. «
    »Sie tut dir bestimmt nichts, obwohl sie riesig ist. Ich gehe weiter zur Werft, aber ich komme später zurück, um dich heimzubringen.« Sein Lächeln war wie eine weiße Kluft in seinem schwarzen, buschigen Bart. »Hast du etwa Angst? Auch wenn die Götter ihre Urteile fällen, bedeutet das nicht, dass die Zukunft wie in Lehm gebrannt ist. Du hast nichts zu befürchten.«
    »Ich kann meine Zukunft aushandeln?«
    Nimrod lächelte. »In Ur kann man alles aushandeln.«
    Sie nickte. Öffnete die Tür. Trat ein.
    »Ah, Chloe«, sagte eine Stimme, bei der sie kalte Schauer überliefen. »So sehen wir uns wieder.«

    Chloe spähte in den finsteren Raum; nach der strahlenden Sonne draußen war es hier drinnen pechschwarz. »Kennen wir uns?«
    Die Stimme lachte, doch es war kein freundliches Lachen. »Du hast dich also immer noch nicht angepasst?«
    »Woran? Woran angepasst?«
    Das Wesen - das eine Sie war, wie Chloe jetzt erkannte - saß an eine Wand des Raumes gelehnt. Sie nahm die gesamte Breite des Zimmers ein, eine Gestalt wie eine uralte Statue der Erdgöttin, mit Hängebrüsten und breiten Hüften, nuttigen grellen Lippen und schwarz umränderten Augen.
    Die direkt durch sie hindurchschauten.
    »O Gott«, hauchte Chloe. Im selben Moment stürzte alles auf sie ein.
    Als Chloe dieser Frau zum ersten Mal begegnet war, war sie als Kind mit ihrer Schwester durch Kairo gelaufen. Diese Frau hatte Chloe jene Halskette geschenkt, die ihr Schicksal sein sollte. Das zweite Mal waren sie sich im Atlantis der Vorzeit begegnet. Dort hatte sie Chloe einen Ring geschenkt. Das dritte Mal auf einem Marktplatz in Jerusalem. »Du«, sagte Chloe nur.
    In diesem Moment fügten sich alle Bruchstücke zu einem Bild zusammen. Chloe war durch die Zeit gewandert und hatte Besitz vom Körper eines Mädchens aus den Marschen genommen. Wie und warum, wusste sie nicht. Doch diese Frau wusste alles, davon war Chloe überzeugt. »Cheftu?«, fragte sie nur.
    »Ich grüße dich ebenfalls, Chloe. Du bist immer noch durch und durch amerikanisch, immer drauflos, immer in Eile. Du kannst dich nicht einmal höflich nach meiner Gesundheit erkundigen. Mimi wäre entsetzt, sie hat dich anders erzogen.«
    Chloe presste die Knie zusammen; sie fürchtete, jeden Moment umzukippen. Die Frau sprach Englisch . »Wie bin ich hergekommen? Und warum?«
    »Ich habe eine Nachricht für dich«, sagte die Frau. »Da ich dein persönliches Orakel zu sein scheine -«
    »Die Alte von Ninhursag!« Auch das Marschmädchen kannte demzufolge diese Frau. Zwei Schicksalsfäden. Sie hat von jeher gewusst, dass ich kommen würde? Chloe fasste sich an den Kopf, an die Wunde, die nicht heilen wollte, immer noch nicht.
    »Erfreulich, dass du noch ein paar brauchbare Erinnerungen besitzt. Möchtest du jetzt deine Botschaft hören oder nicht?«
    Chloe nickte.
    »Hinterher wirst du es möglicherweise bereuen, aber das ist nicht mein Problem. Also höre: Du wirst ihn nicht finden. Du bist nicht bereit.«
    Cheftu? Ganz offensichtlich. »Und wie kann ich mich vorbereiten?«
    Die Alte schloss die Augen. »Du hast deine Botschaft gehört. Jetzt geh.«
    »Nein, eine Frage noch, bitte, bitte -«
    Sie zog ein Lid hoch. »Ja?«
    »Wie bin ich hergekommen? Und warum?«
    »Durch Gottes Gnade«, antwortete die Alte. Dann begann sie zu schnarchen, und ihre Augäpfel rollten nach oben weg wie

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