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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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indem er Puabi von ihrer Auseinandersetzung, von Kidus Mordversuch an ihm erzählte. Doch Shama wusste, dass Puabi große Mühen auf sich genommen hatte, den En zu holen, ihn in den Tempel zu bringen. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie sich für jemanden eingesetzt, hatte sie etwas gegeben, hatte sie ihre eigene Menschlichkeit gefördert. Das gefiel Shama. Wenn Kidu der Grund dafür war, dass Puabis Schritte so leicht waren und ihr Lächeln so strahlte, dann würde Shama alles dafür tun, dass Kidu zum En wurde.
    Nach der Ernennung würde er Kidu eröffnen, dass er noch eine Schuld ausstehen hatte.
    Nicht weil Shama an der Rückzahlung gelegen war, sondern weil er nach seinem Jahrhunderte dauernden Dienst hier im Tempel wusste, dass dies die Art war, wie hier um Macht gefeilscht wurde. Dies war so Tradition.
    Er ließ die schwärmenden Frauen allein.
    Am nächsten Tag war Chloe wieder da. Der Lugal empfing eben eine Gruppe von Besuchern in seinen Amtsräumen. Lächelnd trat sie ein, legte eine Tafel auf seinen Schreibtisch, lächelte die Männer noch einmal an und verschwand wortlos.
    Nimrod saß mit dem Ziegenbock im Schatten einer Palme und schnitzte.
    »Was ist das?«, fragte sie, bevor sie sich an seiner Seite niederließ. Dann verscheuchte sie Mimis neugierig knabbernde Zähne.
    »Ein Siegel«, antwortete er.
    »Wessen?«
    »Von einem Unternehmer, den ich kenne.« Er presste beim Schnitzen die Lippen zusammen. »Nirg war ganz begeistert von diesen Essdingern. Wie nennst du sie?«
    Sie lächelte ihn an. »Das ist mein Geheimnis. Ich muss erst schreiben können, bevor ich ihnen einen Namen gebe.«
    »Dann kann ich nur hoffen, dass mein Vater bald einlenkt«, sagte er. »Sie waren ganz vorzüglich. Nirg hat mich fast verprügelt, weil ich nicht mehr davon mitgebracht hatte.« Sie schauten den Mandanten von Ur zu, die bei den Amtsstuben ein und aus gingen. Die Sonne stieg immer höher in den Himmel, und an der zunehmenden Hitze merkte man das Näherrük-ken des Sommers. »Ich habe unten am Wasser zu tun«, eröffnete er ihr. »Möchtest du eine Weissagerin besuchen?«
    »Heute?«
    Er nickte.
    »Jetzt?«
    Chloe schob sich das geflochtene Haar zurecht, das wie in Schnüren über ihre Schultern hing. »Klar. Warum nicht?« Warum war sie so nervös? Weil ich vielleicht noch mehr Angst hätte, wenn ich die Zukunft kennen würde? Die wunde Stelle auf ihrem Kopf pochte, als hätten ihre schweren Gedanken den Schorf wieder aufplatzen lassen.
    »Ist alles in Ordnung?«, erkundigte sich Nimrod. »Bei, äh, euch beiden?«
    Chloe nickte. »Führe mich hin.«
    Sie bogen aus den breiten Straßen rund um die Amtsstuben des Gemeinwesens ab und stürzten sich in das Gedränge in den schmalen Gassen, die zum Wasser hinunterführten. Chloe fühlte sich sofort daheim, obwohl sie die Marschen nie verlassen
    hatte.
    Handwerker und Arbeiter verrichteten am offenen Fenster ihre Arbeiten; Metzger schlachteten und zerlegten das Fleisch im Freien, sodass das Blut auf die Straße lief; Geschichtenerzähler, Tänzer und Akrobaten boten vor kleinen Grüppchen ihre Künste dar, um anschließend einen Korbhut für ihr tägliches Bier herumgehen zu lassen. Frauen und Männer priesen ihre Waren an, ob es nun Krauter und Elixiere, Obst oder Gemüse war; in der Luft lag das Gekreische der Esel, das Schreien der Gänse und der Geruch von Schafsdung.
    Ein Aroma von Urin, Kardamom und Schweiß hüllte alles ein wie ein Tuch. Von allen Seiten drängten Leiber auf sie ein. Zelte schirmten schlafende Säuglinge oder arbeitende Kinder ab. Frauen stillten ihre Babys, Jugendliche erleichterten sich im Freien, und überall wurde geschwatzt.
    Chloe verstand jedes Wort, das auf der Straße gewechselt wurde; irgendwie kam ihr das eigenartig vor; wie eine vollkommen neue Erfahrung. Sie wandte den Blick von jenen Unglückseligen ab, die beinlos, augenlos, zungenlos, handlos im Schatten der Mauern kauerten und auf ein Gnadenbrot hofften.
    Fest und bekräftigend lag Nimrods Hand auf ihrem Rücken. Er war zwar nicht groß, doch er strahlte ein natürliches Charisma aus, weswegen ihm die Menschen wie von selbst den Weg frei machten. Dafür streckten sie die Hände aus, um Chloes Haar und ihre Haut zu berühren. Chloe hörte sie murmeln, dass es schon lange her sei, seit eine Khamitin durch ihre Straßen gewandelt war.
    Sie verstand einfach alles, was sie sagten. Jeden Ruf, jeden Streit, jedes Gespräch. Nichts blieb ihr verschlossen. Wieder wurde Chloe

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