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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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unterschied sie sich grundlegend von den semitischen Sprachen wie Hebräisch, Arabisch, Aramäisch, Akkadianisch, Babylonisch oder Persisch. In Indien befand er sich offensichtlich ebenfalls nicht, denn er beherrschte das Prakrit sowie die davon abgeleitete Schriftsprache Sanskrit. Zu seiner Linken weitete sich die Bucht in ein Meer. Ihrer Organisation nach wirkte die Stadt beinahe griechisch. Doch hatte die Sprache keinerlei Verwandtschaft mit dem Griechischen oder Lateinischen, genauso wenig wie mit irgendeiner davon abgeleiteten Sprache: dem Französischen, Italienischen, Portugiesischen, Russischen oder irgendwelchen anderen ihm bekannten indoeuropäischen Sprachen wie Deutsch oder Englisch.
    Weder die Menschen noch ihre Sprache deuteten auf China hin - jedenfalls auf keinen der sechs chinesischen Dialekte, die Cheftu kannte. Das Land war flach, die Bevölkerung fremdartig, der Ort nicht wiederzuerkennen. Er spürte, wie sich Angst und Zorn in seiner Brust zusammenballten; warum hast du mich hierher gebracht - dabei wirkte der Zorn wie von ihm losgelöst, wie etwas Eigenständiges. Nichtsdestotrotz schleuderte er ihn beinahe um.
    Es war Kidus Gefühl, doch Cheftu teilte es.
    Diese Welt war keine, die er kannte oder gekannt hatte.
    »Sprich«, sagte er zu dem Schreiber in jener Sprache, die er aus dem ihm unbekannten Bereich seines Geistes ausborgte und die aus jener eigenartigen Kombination aneinander geklebter Silben gebildet wurde. »Was wird der Tag mir bringen?«
    Die ersten Unterrichtsstunden überstand Chloe nur gähnend. Das ist erst mein zweiter Schultag, und ich bin schon vollkommen am Ende! Ein Kaffee hätte alles viel leichter gemacht. Gab es hier eigentlich Kaffeebohnen?, überlegte sie. Oder Blätter - hatten die Araber nicht so den Kaffee entdeckt? Weil ihre Schafe von den Blättern gefressen hatten? Es tat nichts zur Sache, so nützlich waren ihre Schafe nicht.
    Die Hitze, das eintönige Geschwafel, die verqualmte Luft, die Fliegen - ihr Kopf fühlte sich an, als balancierte er auf einem Bindfaden statt auf dem Hals. Mit offenen Augen nach vorn zu schauen, kostete ungeheure Kraft.
    Keiner der zwischen neun und neunzehn Jahre alten Buben schien ähnliche Probleme zu haben.
    Sie blickte auf ihre mühsam zusammengekritzelten Hausaufgaben.
    »Bereitet eure Tafeln vor. Wir schreiben eine Prüfung«, verkündete der Ältere Bruder. Der Tafelvater hatte anderweitig zu tun, hörte man gerüchteweise. Seine überlegenen Fähigkeiten wurden gebraucht, um nach der Überschwemmung die neuen Steuern zu berechnen.
    Die Jungen stellten sich der Reihe nach an, tunkten ihren feuchten Lehm ins Wasser und strichen ihn dann glatt. Chloe wich den hin und her fliegenden Spritzern aus. Schließlich wurden fünf Knaben bestraft, während die übrigen kichernd verfolgten, wie der Lehm auf den Gesichtern der Missetäter trocknete.
    »Wir beginnen«, verkündete der Ältere Bruder. »Beispiel eins: Mensch, männlicher Elternteil eines männlichen Elternteils.«
    Das ließ sich verhältnismäßig leicht als Großvater übersetzen, weil diese Verbindung auch in den modernen Sprachen durch eine Vorsilbe hergestellt wurde. Man nehme die Eltern, die man um eine Stelle von der direkten Familie wegschiebt, und schon waren sie groß. In ... welcher Sprache diese seitlichen Keilzeichen auch geschrieben sein mochten, die Antwort bestand in einem Zeichen für Mensch, einem bestimmenden Fürwort und dann zweimal dem männlichen Elternteil. Kinderleicht. Gott sei Dank hatte sie ihre Hausaufgaben durchgeak-kert.
    »Sklave.«
    Chloe schrieb das bestimmende Fürwort nieder und biss sich dann auf die Lippe. Wie ging noch mal das Zeichen für Sklave? Ein Mensch, der von einem anderen Menschen besessen wird? Nein. Ein Mensch in Schuld? Ein Mensch von anderswo? Sie übersprang die Frage.
    »Tafelvater.«
    Bestimmendes Fürwort für männlicher Mensch verbunden mit dem Symbol für das Haus der Tafel. Wow. Schon zwei von dreien.
    »Verwalter«, sagte er.
    Das Wort habe ich nicht gelernt, dachte Chloe bei sich. Das stand nicht bei mir auf der Liste.
    »Buchhalter.«
    Verdammt. Ist das zu fassen? Ich habe die falsche Liste gelernt. Sie ritzte das Fürwort ein ... wie ging noch mal das Symbol für Zahl?
    »En.«
    »Kaufmann.«
    »Matrose.«
    Den Rest der Prüfung, eine Aneinanderreihung von ausnahmslos männlichen Bezeichnungen und lauter Worten, die sie nicht gelernt hatte, ließ Chloe einfach über sich ergehen. Endlich lächelte der Ältere

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