Die Händlerin von Babylon
sprechen.«
»Wo ist Kidu? Wo steckt En Kidu? Shama, geh ihn suchen.«
»Ensi«, sagte der Lugal.
Sie schnitt ihm das Wort ab. »Kein Wort, bevor der En eingetroffen ist.«
Während sie warteten, sah Ezzi sich im Raum um. Er war riesig, die Wände waren mit Kegelmosaiken geschmückt und die Teppiche hell und bunt. Das Mobiliar war aus Gold; noch nie hatte er solchen Reichtum gesehen. Ob die Möbel wohl aus solidem Gold oder nur vergoldet waren?
Ein großer, blonder Mann trat ein. Er hatte die Augen halb geöffnet. Die Ensi bedeutete ihm, Platz zu nehmen, dann ließ sie sich auf seinem Schoß nieder. »Jetzt könnt ihr sprechen.«
Der En nickte an ihrer Brust ein. Sie schaffte es nicht, ihn zu wecken.
Der Lugal ergriff das Wort. »Die Sterne verheißen Schlimmes für unser Gemeinwesen«, sagte er. »Asa wird es dir erklären.«
Asa trat vor. »Die Götter fordern dich, Herrin.«
Sie setzte sich so abrupt auf, dass der En aufwachte. »Was heißt das?«
»Drei Zeichen, Ensi. Das erste war der Blutmond.«
»Wir haben die Trommeln geschlagen; daraufhin sind die Dämonen geflohen.«
Er nickte. »Das zweite Zeichen war die Überschwemmung der Marschen im Norden.«
»Eine Überschwemmung gibt es jedes Jahr.«
»Herrin, Ur hat seine sämtliche Sklaven verloren, die uns bei der Landarbeit geholfen haben. Außerdem unzählige Nutztiere, Büffel und Steuerzahler. Meines Wissens gab es nur eine einzige Überlebende.«
»Und was ist das dritte Zeichen?«
»Heute wird sich mitten am Tag der Himmel zur Nacht verdunkeln. Die Götter sind nicht glücklich über uns.«
Puabi blickte den Lugal an. »Was hat das zu bedeuten?«
»Herrin«, kam ihm Asa zuvor, »die Götter haben sich von dir abgewandt.«
DRITTER TEIL Das Haus der Tafel
Cheftus Finger glitten über die Gestalt an seiner Seite. Sie murmelte im Schlaf und rückte näher an ihn heran, bis ihr nacktes Fleisch seines berührte. Endlich war er angekommen, nachdem er monatelang in den Kavernen Jerusalems gehaust hatte, nachdem er gewartet und gebangt hatte; endlich war er wieder mit Chloe zusammen.
Er sah sich im Raum um, der in der frühen Morgendämmerung fast diesig wirkte. Wo waren sie?
Es tat nichts zur Sache; sie waren in Sicherheit. Er hatte sie gefunden, le bon Dieu sei gepriesen.
Er küsste sie auf die Schulter, wobei er sich innerlich auf alle Veränderungen gefasst machte, die ihn möglicherweise überraschen würden. Obwohl Cheftus Liebe zu Chloe nie nachließ, war es doch jedes Mal ein verstörendes Erlebnis, wenn sie nach einem Sprung durch die Zeit die äußere Gestalt einer anderen Frau angenommen hatte. Er dagegen veränderte sich nie, le bon Dieu sei gedankt. Die Frau an seiner Seite rollte sich auf den Rücken und zog ihn zu sich herab. Gespannt wartete er darauf, dass sie die strahlend grünen Augen aufschlug.
»Wach auf, ma chérie «, flüsterte er in seiner Muttersprache Französisch, eine der vielen Sprachen, in denen sie sich verständigen konnten. »Wir sind in Sicherheit.«
Ihre Lider klappten hoch. Der Blick, der auf seinen traf, war schwarz und verständnislos.
»Was hast du gesagt, En?«, fragte sie.
In Cheftus Geist wurden die Worte - Worte, die er nie zuvor gehört hatte - durch Bilder übertragen. Meine persönlichen Logogramme, begriff er. Er starrte die Frau an und stellte dabei fest, dass sie helle Haut hatte sowie einen Schopf schwarzer Haare und grotesk wuchernde Wimpern.
Eine Lawine von Bildern überrollte ihn: diese Frau, schlammbedeckt und in seinen Armen weinend; Blut und Gestank und sein eigenes abgehacktes Gebrüll; ein Gefühl des Verlustes, das ihn innerlich zerfraß, und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, das ihn beinahe erstickte. Er kannte diese Frau, er schuldete ihr sein Leben.
Ihrem Blick entging nichts. »Wolltest du mich mit Gesang wecken, Geliebter?«, fragte sie. Ihre Hand wanderte von seiner Schulter an seinen Hintern. »Oder hast du schon wieder den Namen einer anderen im Munde geführt?«
»Chloe?«, fragte er, nur für den Fall, dass sie irgendwo in diesem Körper existierte, soweit das überhaupt möglich war. »Chloe?«
»Bist du heute Morgen ein Vogel, Geliebter? Gestern Nacht warst du ...« Sie flüsterte etwas in sein Ohr, und Cheftu errötete. Mit einem genüsslichen Lächeln ließ sie sich zurücksinken. »Ich bin wieder mit dir zufrieden.«
Was war passiert? War er in der falschen Epoche gelandet? War all sein Beten, all sein Flehen vergebens gewesen? Die Frau küsste ihn auf
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