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Die Händlerin von Babylon

Die Händlerin von Babylon

Titel: Die Händlerin von Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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erstarrte.
    Es war ein vom Alter gebeugter Mann mit drahtigen Muskeln. Sein Blick wanderte von der Frau, die in den Klauen der Leidenschaft gefangen war, zu Cheftu, der mit erigiertem Glied im Raum nebenan stand. Der Mann sagte kein Wort, musterte aber eindringlich Cheftus Gesicht.
    Instinktiv fuhr Cheftu sich mit der Hand übers Kinn. Ich habe einen Bart. Bon Dieu. Die Frau wurde lauter und störte zusätzlich Cheftus Gedanken, die ohnehin im Kreis herumrasten wie ein Hund mit Schaum vor dem Maul und dabei jenen Teil seines Wesens anstachelten, der sich danach verzehrte, ihr in ihrer Ekstase Gesellschaft zu leisten. »Kleider«, wies er den Alten an. Form und Aussehen waren ihm ebenso egal wie alles andere. Er musste nachdenken, er musste ... sich zurechtlegen, was geschehen war.
    Er musste weg von dieser Frau.
    Der Alte überreichte ihm einen Rock - den er immerhin als solchen erkannte, wenngleich ihm Muster, Stoff und Schnitt vollkommen fremd waren. Mit hitzig geröteten Wangen versuchte Cheftu, ihn flach anliegen zu lassen, vor allem unter dem amüsierten, fragenden Blick des Alten. Sobald Cheftus helle Haut halbwegs abgedeckt war, stürmte er zur Tür.
    Im Raum nebenan roch es rauchig, und er sah OpiumGerätschaften herumstehen; dann dämmerte ihm, dass sein Schädel dröhnte und sein Mund nach ätzender Magensäure schmeckte. Cheftu zog die Tür hinter sich zu, um die keuchenden Schreie der Frau auszuschließen, und öffnete damit die Tür zu zahllosen Fragen.
    Im Gang beeilten sich drei ebenfalls bärtige Männer in ähnlichen Röcken, aufzustehen und Haltung anzunehmen. Offensichtlich hatten sie, in Anbetracht der stöhnenden Frau, nicht mit seinem Kommen gerechnet, aber sie verneigten sich augenblicklich mit gemurmelten Grüßen. Er nickte ihnen knapp zu und durchschritt den dunklen, nur von Ölfackeln erhellten Gang. Cheftu hatte keine Ahnung, wohin er ging oder wo er eben gewesen war. Es erstaunte ihn nur, wie viel Anstrengung es ihn kostete, sich von der Frau weg zu bewegen - bei jedem Schritt schien sein Körper ihn zurückziehen zu wollen.
    »En Kidu, En Kidu«, rief ein Mann. Cheftu hielt inne und drehte sich um. Lächelnd zog der Mann eine Lehmtafel hervor. »Guten Tag, Herr. Möchtest du die Aufgaben des heutigen Tages durchgehen?«
    Die Gesichter der Übrigen waren ihm zugewandt. Neugierig.
    »Natürlich«, bestätigte Cheftu. »Komm mit.« Offenbar bin ich Enkidu. Oder En Kidu?
    »Selbstverständlich, Herr. Wohin gehst du?«
    »Ich brauche frische Luft.«
    »Vielleicht sollten wir dann . nach draußen gehen?«
    »Ein hervorragender Vorschlag«, bestätigte Cheftu. »Du gehst voran.«
    Der Schreiber, so es denn einer war, machte kehrt, marschierte durch den Gang zurück und bog dann wieder ab. Cheftus erster Blick auf seine neue Welt zeigte einen blauen Himmel und Palmen. Und ließ ihn eine Brise spüren, die einen sengend heißen Nachmittag versprach.
    Schweigend traten sie an die Schwelle, und Cheftu sog die Aussicht in sich auf.
    Von oben überschwemmte Sonnenlicht die Stadt, von unten blendeten spiegelnde Bänder. Wasser. Flüsse? Nein, es handelte sich um Bewässerungsgräben. Zweistöckige Gebäude warfen ihre Schatten über die geraden, rechtwinklig angelegten und von grünen Palmen gesäumten Straßen. Eine massive Mauer umschloss den Bau, in dem er sich befand, und direkt unter ihm erstreckten sich Gärten voller Blumen, Bäume und Brunnen, über die eben die ersten Sonnenstrahlen strichen. Es war eine hoch entwickelte Stadt.
    Nur Menschen sah er keine.
    Ein Blick in den Süden zeigte ihm eine silbern in der Morgendämmerung schimmernde Bucht. Von einem breiteren Fluss, der sich durch den Westteil der Stadt zog, zweigten weitere Bewässerungskanäle ab. Der Gestank nach Müll, Asche und Weihrauch stach ihm bis hier herauf in die Nase. Dieser Ort war ihm absolut fremd.
    Treppen führten von seiner Plattform nach unten, weitere Treppen führten weiter hinauf. Cheftu drehte sich um und betrachtete mit offenem Mund das Gebäude, aus dem er eben getreten war; farbenfrohe Stufen mit Rampen, Treppen und Bögen, die von einer Farbe und Ebene zur nächsten führten. Ein von Menschenhand erbauter Berg. Die Spitze war von hier aus nicht zu sehen. Doch irgendwie wusste er, dass es ein blauer Tempel war, der einer Himmelsgottheit geweiht war.
    Eine Himmelsgottheit in einem unbekannten Land mit einer Sprache, die ihm absolut fremd war. Nicht einmal Ähnlichkeiten konnte er ausmachen - jedenfalls

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