Die Händlerin von Babylon
keinerlei Selbstbeherrschung.
»Sollen wir uns einen Kampf liefern, Bruder?«, bot Nimrod lächelnd an. »Dann kannst du deinen Zorn austoben.«
Beide zogen sich bis auf einen Lendenschurz aus, legten schwere Ledergurte um ihre Taillen und traten dann aufeinander zu. Cheftu wusste aus Kidus Erinnerung, dass sie sich gegenseitig an der Taille festhalten und den anderen umzuwerfen versuchen würden. Dabei mussten stets beide Hände am Gurt und die Köpfe dicht beieinander bleiben. Nimrod war leichter gebaut als Kidu, dafür aber sehnig und stark.
Sie rangen miteinander, bis sie schweißnass und völlig erschöpft waren. Der Schreiber rief die Viertel des Kampfes aus, und bei der Hälfte flüsterte Nimrod ihm ins Ohr: »Ich habe gehört, dass man Puabi aufgefordert hat, ihr Amt niederzulegen.«
Im selben Moment brach sich Cheftus Zorn Bahn. Er riss Nimrod hoch und versuchte ihn mit aller Macht von den Füßen zu zerren. Mit schier übermenschlicher Kraft setzte Cheftu sich durch, und beide purzelten über den Boden. Keuchend und schwitzend setzten sie sich auf. Der Schreiber ging Bier holen, während Cheftu beobachtete, wie der Schweiß von seiner Stirn auf die Schilfmatte tropfte.
»Kidu, wir sind Freunde«, sagte Nimrod.
Cheftus Zorn war verflogen. »Wie gute Freunde?«
Nimrod beugte sich zu ihm und sagte so leise, dass niemand es hören konnte: »So gute Freunde, dass ich weiß, wann du in Gefahr bist. Puabi steht nicht länger in der Gunst der Sterne, und sobald eine neue Ensi gewählt ist, bedeutet das dein Ende.«
Cheftu sagte nichts, er konnte nichts sagen, er konnte nur staunen.
»En zu sein ist kein Amt, das man wieder ablegen kann wie das eines Lugal«, erläuterte Nimrod. »Dieses Amt verlässt man nur durch den Tod.«
Der Schreiber öffnete den Bierkrug und reichte beiden Männern Trinkhalme. Als der Krug geleert war, stand Nimrod auf und verabschiedete sich. »Wenn der Zeitpunkt zur Flucht gekommen ist, werde ich dir helfen«, sagte Nimrod. »Das bin ich dir schuldig.« Er berührte die Narbe auf seiner Schulter. Kidu hatte Nimrod das Leben gerettet. Einen Moment lang wallten Hitze, Blut und Angst in Cheftu auf.
Er wischte sich den Schweiß von den Brauen. »Vielen Dank.«
Nimrod entfernte sich ein paar Schritte, drehte sich dann halb um und blickte über die Schulter zu ihm zurück, als wollte er noch etwas sagen. »Deine Augen«, bemerkte er. »Waren sie schon immer so hell?«
Verlier nicht den Gefährten, den du in ihm gefunden hast, ermahnte sich Cheftu. »Ich wusste gar nicht, dass dir so was auffällt«, neckte er Nimrod.
Nimrod stutzte und brach dann in Lachen aus.
Jetzt brauchte Cheftu nur noch Chloe zu finden.
»Asa der Sterndeuter?«, wiederholte der Schreiber. »Die vergangenen Prophezeiungen?«
»Ja bitte.«
»Für wen wünschst du diese Dokumente? Ich kann die Umschläge nicht von jedem Beliebigen aufbrechen lassen.«
»Ich brauche sie für Asa, und der braucht sie für den En.«
»Für Kidu? Hast du einen Beweis dafür? Sein Siegel?«
Ezzi schüttelte den Kopf. »Aber ich komme geradewegs von einem Treffen mit ihm. Er -«
Der Schreiber schüttelte den Kopf. »Kein Siegel, keine Akten.« Sein Blick ging an Ezzi vorbei. »Kann ich dir helfen?«
Ein weiterer Schreiber, der um seinen Arm das Siegel des Tempels trug, trat neben Ezzi und wandte sich an den Archivverwalter. »Asa der Sterndeuter. Seine sämtlichen Weissagungen und die Berichte über die Ernten der darauf folgenden Jahre.«
Der Archivar musterte Ezzi, dann wieder den Schreiber. »Ich werde Tage brauchen, um sie zu finden, Herr.«
Der Schreiber schob ein Karneolsiegel über die Theke. »Dann fang gleich an zu suchen. Der Auftrag kommt von En Kidu.«
Der Verwalter schaute Ezzi an. »Kennt ihr einander?«
Der Schreiber drehte sich zu Ezzi um. »Nein.«
»Er wollte nämlich ebenfalls -«
Ezzis Hand schoss vor und warf den Bierkrug des Schreibers um. »Verzeihung!«, rief er aus. »Warte, ich werde das wieder aufwischen.«
Der Archivar schob die trocknenden Lehmdokumente beiseite und wischte das Bier dann mit seinem Umhang auf. Wütend funkelte er Ezzi an. Dann wandte er sich wieder dem Schreiber zu und nahm dessen Siegel auf. »Ich werde sie suchen, und sobald ich sie gefunden habe, werde ich Bescheid geben, damit ihr mir einen Schreiber und eine Schubkarre schickt.«
Der Schreiber dankte ihm und verschwand.
»Du kannst ihm gleich folgen«, sagte der Archivar zu Ezzi.
»Es tut mir so Leid, dass ich dein
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