Die Händlerin von Babylon
hörte etwas jenseits des Tierfell-Zaunes rascheln. Aus einem Instinkt heraus, der ihrem Körper, nicht aber ihrem Geist innewohnte, spannte sie sich an, packte mit den Fingern einen Rasenbollen und machte sich zum Wurf bereit. Ein fliegender Dreckbatzen, der sich im Flug auflöste, würde jedes wilde Tier verwirren. Und in der Mitte würde noch ein großer Brocken bleiben, der dem Räuber ordentlich eins auf den Pelz brannte. Woraufhin er hoffentlich zu dem Schluss kommen würde, dass es besser wäre, irgendwelche anderen Schafe zu stehlen.
Sie lauschte angespannt, hörte aber nichts mehr. Nach kurzem Warten entspannte sich Chloe wieder, die Hand weiter um den Erdklumpen geschlossen. Der Mond stand hoch am Himmel. In der Nacht zuvor hatte es eine teilweise Mondfinsternis gegeben. Die Studenten in der Schule hatten aufgeregt durcheinander geschnattert und darüber spekuliert, was das wohl zu bedeuten hatte. Das letzte Zeichen hatte der Mond in der Nacht vor der Überschwemmung gegeben.
In der Nacht meiner Ankunft hier, dachte Chloe. Offensichtlich bin ich am 23. März gereist. Mittlerweile war es, soweit sie das überschlagen konnte, um den 25. Mai herum. Zwei Monate bin ich nun schon weg. Ob Cheftu wohl rätselt, wo ich bin? Ob er mich vermisst?
»Halt den Mund«, wies sie sich im Aufsitzen zurecht. »Dar-
über darfst du nicht mal nachdenken.« Hoff einfach das Beste, ermahnte sie sich. Er wird schon auftauchen. Du musst eben ständig nach einem dunkelhaarigen, dunkelhäutigen, intelligenten Mann mit hellbraunen Augen Ausschau halten. Einem Ägypter.
Und bis dahin gehst du weiter in die Schule und lernst.
»Es waren zwei Königskinder ...«, sang sie den Schafen vor. Ihr sarkastischer Tonfall schien den Tieren nicht zu gefallen. Also machte sie sich auf den Weg zum Stadttor.
Alles fing ganz unschuldig an. Jemand klopfte an die Tür. Cheftu machte auf. Im nächsten Moment warf sich eine Frau an seinen Hals, küsste ihn auf das Gesicht und begrapschte seinen Körper. Jemand anderes lutschte an seinen Fingern, und mehr Hände, als er zählen konnte, betasteten und liebkosten ihn.
Kidu besaß keinerlei Selbstbeherrschung.
Cheftu entwand sich den Liebesbekundungen und schaffte es beinahe, die Tür wieder zuzudrücken. Hände mit vergoldeten Nägeln wedelten aufgeregt in dem schmalen Spalt.
»Nein«, wies er die flehenden braunen Augen ab, die zu den Händen gehörten. »Ihr müsst gehen.«
»Ich hab’s dir doch gesagt!« Eine andere Frau drängelte sich dazwischen. »Er will mich.«
»Nein!«
»Dann mich!«
»Nein, mich!«
Allen zusammen gelang es schließlich, die Tür aufzudrücken, sodass er mit erhobenen Händen zurückwich. Sie hielten inne.
»Dich auch nicht«, sagte er zu der Letzten.
»Mich?«
»Mich?«
Cheftu sah sich verzweifelt um. Im Vorraum zu seinem Schlafgemach drängten sich die Frauen bis hinaus auf den
Gang. »Keine von euch«, verkündete er. »Heute Nacht will ich überhaupt keine.« Das hatte Puabi so angeordnet. Allerdings -»Es sei denn, ihr kennt zufällig ein einsames Mädchen mit grünen Augen.«
Sie schauten einander an. »Ob er Jesi meint?«
»Durat?«
»Sind sie grünäugig?« Sein Puls raste; war es möglich? »Sind sie hier?«
»Jesi schon. Sie ist eine Tochter von Tubal-Cain, aber trotzdem ganz ansehnlich.«
»Wo ist sie?«
»Wir könnten sie herholen«, meldete sich eine Blondine mit verschlagener Miene.
»Und was ist mit der anderen, dieser Dura?«, erkundigte sich Cheftu.
»Durat. Also, die hat auch grüne Augen. Als ich letztes Mal von ihr gehört habe, lag sie gerade in den Nach wehen.«
»Sie hat einen kleinen Jungen bekommen«, mischte sich eine zweite ein. »Sein linker Fuß ist verkrüppelt.«
»Die arme Durat, die Götter sind neidisch auf ihre Schönheit.«
Konnte sich Chloe im Körper einer Frau verbergen, die erst kürzlich entbunden hatte? Sie konnte überall stecken. »Ich möchte beide kennen lernen«, sagte er.
»Was gibst du uns dafür?«, verlangte die gerissene Blondine. »Schließlich haben wir nichts davon, wenn wir dir eine andere bringen.«
Bei den Göttern - »Ich habe eine Schwäche für Frauen mit grünen Augen«, sagte er. »Ich kann nicht dagegen an.«
»Seit wann?«
»Das ist mir aber neu.«
»Und die anderen reizen dich gar nicht?«, fragte eine Brünette, die Kidu durchaus reizte und gleichzeitig ihre Hand durch seinen nackten Arm schob. Er verwünschte Kidus so leicht erregbaren Körper. »Seit wann denn?«
»Bist du
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