Die Händlerin von Babylon
getan haben könnte. Womit sie einen unter den Göttern versehentlich verärgert haben könnte, vermag ich nicht zu sagen«, führte Asa aus. »Doch eines kann ich dir versichern. Die Tage rücken näher, wo Sterne aus den Himmeln auf Ur herabregnen werden. Die Sonne wird vom Mond verdeckt werden. Dunkelheit und Trostlosigkeit werden das Land heimsuchen. «
Der En blickte von Asa auf Ezzi und dann auf die übrigen Weissager, Exorzisten und Sterndeuter. »Die Sonne wird aber nur kurz verborgen bleiben«, wandte der En ein. »Ist es nicht so?«
Asa neigte den Kopf. »Genau darum muss die Ensi abtreten, um die Rückkehr der Sonne zu gewährleisten.«
»Welche Gewähr hast du dafür, dass deine Einschätzung richtig ist, Asa?«, fragte Kidu.
»Bist du für oder gegen mich?«, zischte Puabi ihm zu. »Be-leidige ihn nicht!«
Ohne sie zu beachten, starrte der En auf Asa.
So wie der En heute aussah, konnte Ezzi fast an Besessenheit glauben.
»Ich, ich habe keine Gewähr dafür«, sträubte sich der Sterndeuter. »Die brauche ich nicht. Ich bin der Sterndeuter. Was ich sage, entspricht der Wahrheit. Ich allein kann die Urteile aus den Tafeln der Bestimmung lesen. Ich bringe diese Urteile dem Lugal und der Ensi und dem Rat zur Kenntnis. Sie entscheiden dann, wie wir bei den Göttern Fürsprache einlegen sollen oder wie wir sie bestechen können. Wie ich bereits gesagt habe, erfülle ich lediglich meine Pflichten, indem ich euch davon in Kenntnis setze, dass ein Urteil bevorsteht.«
Kidu kniff die Lippen zusammen. »Bring mir einen Zeitplan für dieses Urteil und die Niederschriften deiner vergangenen Prophezeiungen. Und nun lasst uns allein.«
Unter Verbeugungen zogen sie ab, während die Ensi auf dem Schoß En Kidus sitzen blieb.
Sobald die Kupfertüren hinter ihnen zugeschlagen waren, ließ Asa seinem Zorn freien Lauf. Schweigend hörte Ezzi mit an, wie der Sterndeuter sich über die Gefahren seines Berufs und die Verstocktheit der Priesterschaft ausließ. »Sie werden uns alle in den Tod reißen«, warnte er. »Für wen hält sich der En eigentlich, mich so auszufragen? Es steht ihm nicht zu, die Dinge zu hinterfragen. O ja, sie werden Übel über sich bringen. Trostlosigkeit und Dunkelheit.«
»Ein sehr guter Satz, Herr«, bekräftigte Ezzi.
»Vielen Dank, mein Junge. Ich habe Doppelstunden damit zugebracht, die richtigen Worte zu finden, die Botschaft wahrheitsgetreu zu überbringen. Nur damit sie auf taube Ohren stößt.« Sein Zorn war schon fast wieder verraucht. »Vermutlich haben die Menschen auch nicht auf Ziusudra gehört. Hundertzwanzig Jahre lang haben sie ihn wie Luft behandelt.« Asa blieb stehen. »Hol mir einen Schlitten, mein Junge. Ich muss
mich ausruhen.«
Die anderen Sterndeuter folgten mit deutlichem Abstand. Asa hatte die Gunst der Ensi verloren, darum wollte niemand mehr mit ihm in Verbindung gebracht werden. Ezzi hielt einen Schlitten an, half dem Alten beim Einsteigen, wies dem Träger den Weg und versicherte seinem Arbeitgeber, dass er so schnell wie möglich nachkommen werde. Dann sah er Asa abfahren und machte eine Kehrtwendung zum Tempelkomplex, um das Archiv aufzusuchen.
»Der edle Herr Nimrod, Herr.«
Cheftu nickte. Es war egal - er war viel zu wütend zum Nachdenken. War das sein Zorn oder Kidus? Im Grunde war es ohne Belang, von wo seine Wut ausging; sie verzehrte ihn völlig. Er sah auf und sah einen haarigen Kerl hereinkommen. Der Mann war wie ein Fischer gekleidet, er roch sogar wie ein Fischer, obwohl er am Gürtel ein Siegel trug und das Gebaren eines Prinzen an den Tag legte.
Narben überzogen seine Hände, und einst hatte die fünfkrallige Pfote eines Bären seine Schulter gepackt. Eine Klinge hatte seine Stirn zerschnitten, wobei sie um Haaresbreite sein Auge verfehlt hatte, und als Nimrod sich verbeugte, erkannte Cheftu die weißen Punktnarben eines Hundebisses auf seinem Rücken. Der Name des Mannes bedeutete mächtiger Jäger. Offenkundig lebte er unter einem Glücksstern.
Nimrod schaute ihn an. »Sei gegrüßt, Bruder der Berge«, dröhnte er. »Segnen die Götter dich heute?«
Nimrod, Kidus Gegner beim Ringen, der erste Menschenmann, der Freundschaft mit Kidu geschlossen hatte. Würde Nimrod bemerken, dass Kidu nicht mehr da war? Wie sollte er? Und was würde er dann unternehmen?
»Der Tag treibt mich zur Raserei.« Cheftu war nicht in der Lage, die leidenschaftlichen Gefühle zu unterdrücken, die bei jeder Kleinigkeit in Kidu aufloderten. Der Mann besaß
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