Die haessliche Herzogin
Matz, der noch kaum aussah wie ein Mensch, hob er hoch: »Er hat ganz genau mein Gesicht .« Und er verhätschelte die Kinder, schenkte ihnen Spielzeug, Zuckerwerk, auch Wiesen, Wälder, Berge, Schlösser.
Margarete sah mit Sympathie auf ihre Halbgeschwister. Vor allem mochte sie den schon fast erwachsenen Albert gerne leiden, den König Heinrich zum Ritter geschlagen und mit dem Gericht Andrion belehnt hatte. Der blonde junge Herr hatte die ganze Gutmütigkeit seines Vaters, dazu eine starke, fröhliche Sicherheit in allem Gehabe, eine federnde, immer gleiche Heiterkeit. Er hatte nie den leisesten Spott für Margarete. Er selber war durchaus ohne Sinn für Bücher und Theorie und bewunderte ungeheuchelt ihre Gescheitheit und Wissenschaftlichkeit. Sie dankte es ihm, daß seine Achtung nicht durch ihre Häßlichkeit gemindert wurde.
Auf die Frauen, denen sie begegnete, stets neuen, wo immer ihr Vater war, schaute sie mit langen Blicken, nicht übelwollend, fremd und voll neidischer Sehnsucht. Es waren Frauen jeden Standes, jedes Temperaments, deutsche und welsche; einige raschelten durch die Gänge, andere gingen schwer und lässig, wie hohe Glocken lachten die einen, die andern sprachen tief und langsam: alle aber, wenn sie der Prinzessin begegneten, wurden scheu, befangen, verkrusteten sich in einer Art feindseligen Mitleids. Ach, wer leben dürfte wie diese, so leicht und lässig! Ihr war es nicht erlaubt, sie war häßlich und war Prinzessin. Sie mußte streng sein mit sich. Sie durfte nicht rascheln wie die Eidechsen, sie mußte ihre harte, steile Straße gehen, geradeaus und immerzu, wie ein geschmücktes Saumtier, das, mit Prunk und Schätzen schwer bepackt, einem großen Herrn Geschenke bringt.
Sie grübelte. Sie sprach mit dem Abt von Viktring darüber. War es eine Strafe Gottes, daß sie so häßlich war? Was wollte Gott mit ihr? Der Abt zitierte Anselmus: »Schneller vergeht nicht die Stunde, als wechselt der Anblick der Dinge. Diesseits und für nichts ist irdische Zierde zu achten .« Da er sah, daß solcher Trost nicht verfing, fragte er, ob sie es vorzöge, niedrig zu sein, eine Bauerstochter und den Männern wohlgefällig. »Nein«, erwiderte sie hastig, »das nicht! Das nicht!« Aber allein brach sie aus: »Ja, ja, ja! Mistfahren lieber den langen Tag, aber wohlgeschaffen, als so im Schloß, als mit diesem Mund, mit diesen Zähnen, diesen Backen !«
Sie sprach mit der Äbtissin von Frauenchiemsee. Sie hatte ihre jüngere Schwester besucht, die kränkelnde, verkrüppelte Adelheid. Nun saß sie mit der feinen, welken, milden Äbtissin am Ufer der winzigen Insel.
»Meine Mutter war nicht schön«, sagte das Kind, »doch sie war auch nicht häßlich .«
Die alte Dame legte ihr die kleine, leichte Hand auf das kupferfarbene, harte Haar. »Ich will nicht von Gott reden und vom Jenseits«, lächelte sie, »wo nicht die Gestalt gilt. Aber wie rasch verfaltet auch diesseits das glatteste Gesicht! Noch fünfzehn Jahre, noch zwanzig hättest du es. Ich bin heute sehr zufrieden«, schloß sie, »daß ich niemals schön war .«
Die beiden Frauen schauten auf den blassen, weiten See hinaus, matte Sonne schien, eine Möwe schrie.
Das Jahr darauf, unvermittelt, legte sich ihre Stiefmutter Beatrix hin und stand nicht mehr auf. Sie war immer eine schwache Frau gewesen, nun war die Enttäuschung dazugekommen, daß sie ohne Kinder blieb.
Als sie schon die Sterbesakramente empfangen hatte, sagte sie noch ihrem Mann, er solle ja seinen Leibschneider stäupen lassen und mit Schimpf davonjagen.
Er unterschlage gemein viel von den kostbaren Stoffen, die er für des Königs Garderobe benötige. Auch solle sich Heinrich einen neuen Lederbehälter anschaffen für seine schöne Rüstung. Dann empfahl sie ihre Seele Gott und starb.
Nun waren Johann und Margarete die unbestrittenen Erben des Landes in den Bergen; denn niemand ahnte von dem Geheimvertrag zwischen den Habsburgern und den Wittelsbachern. Selbst der Knabe Johann wurde beschwingter durch sein Erbprinzentum. Er sagte sich die Titel vor, die er haben wird: Herzog von Kärnten, Görz, Krain, Graf von Tirol, Schirmvogt der Bistümer Chur, Brixen, Trient, Gurk, Aquileja. Er malte sich die merkwürdigen alten Zeremonien der Thronübernahme in Kärnten aus, die ihm sehr gefielen. Wie da der Fürst in Bauerntracht kommt und einen freien Bauern von dem Stein vertreibt, auf dem dieser sitzt. Wie er, auf dem Stein stehend, das blanke Schwert nach allen Richtungen
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