Die Häuser der anderen
Monate, in denen die Polizei mehrfach wegen Lärmbelästigung auf den Plan trat, wenn ein Baby schrie oder ein Hund bellte. Die wenigen Masochisten, die trotz allem blieben, lebten so unauffällig wie Schatten vor sich hin. Die Hausbesitzerin, eine reiche Anwaltswitwe mit Hang zur Esoterik, wohnte auf Mallorca und glaubte angesichts der kurzen Verweildauer ihrer Mieter, auf ihrem Eigentum am Kuhlmühlgraben 38 laste ein Fluch; sie ließ sich niemals blicken.
Soweit lief alles bestens für Eisen und Emmermann, und sie führten ein erfülltes Leben. Der Ärger begann, als der Makler auf die Idee kam, die riesige Fünfzimmerwohnung im Erdgeschoss an eine Wohngemeinschaft zu vermieten, nachdem das zuvor dort lebende Arztehepaar schon nach wenigen Monaten am Kuhlmühlgraben behauptet hatte, sie würden spontan nach Amerika auswandern und sich dort niederlassen. Sie hatten auf Mallorca angerufen und flehentlich darum gebeten, vorzeitig aus dem Mietverhältnis entlassen zu werden – für die Witwe einmal mehr eine Bestätigung für ihre Theorie über den Fluch.
Es war ein heißer Freitag im August, Herr Eisen – Bert – war von der Arbeit heimgekommen und hatte gerade die speckige Schirmmütze und die Sandalen angezogen, um sich in den Garten zu setzen, als das Telefon klingelte und der Makler ihnen das Wochenende verdarb.
»Liebenswerte junge Leute«, schwärmte er in Eisens gereiztes Schnauben hinein. »Aus gutem Elternhaus.«
Herr Emmermann, der sofort bemerkte, dass etwas nicht stimmte, zog fragend die Augenbrauen hoch. Eisen drückte auf die Lautsprechertaste, und sie hörten gemeinsam, dass es sich um drei junge Männer und eine Frau handelte, die im Laufe der nächsten Wochen einziehen würden – so ganz hatten die jungen Leute sich anscheinend nicht auf ein Datum festlegen wollen.
Nach dem Gespräch begaben sich die beiden Männer in den Schatten der Sommerlinde, um diese Neuigkeiten zu diskutieren. Während Herr Emmermann die Zustände im Hause, die sie bald zu erwarten hätten, in den düstersten Farben ausmalte, spähte Herr Eisen immer wieder in seine Kaffeetasse, um sicherzugehen, dass keine Wespe in dem zuckersüßen Getränk gelandet war. Er konnte Insekten nicht leiden. Eigentlich mochte er überhaupt keine Tiere, und wenn es einen Garten ohne sie gäbe, er fände es gut.
»Hörst du überhaupt zu?«, fragte Herr Emmermann.
»Natürlich. Du sagtest gerade, sie werden eine Menge Lärm machen«, sagte Herr Eisen. Das war geraten, traf aber ins Schwarze, und Herr Emmermann nickte bedächtig. »Aber weißt du, ich sehe das nicht so negativ. Es sind Kinder. Halbe Portionen. Ich sage dir, denen habe ich die Hausordnung rasch beigebracht. Das wird schnell eine saubere Sache.«
Sauber war das Lieblingswort der beiden; es fiel in allen möglichen Zusammenhängen, ob es ums Putzen ging oder um allgemeine Fragen der Lebensführung.
»Ich weiß nicht«, sagte Herr Eisen. »Es war gerade alles so friedlich …«
Trübsinnig starrte er auf die hellgrünen Zweige der Linde, zwischen denen gelbe Blüten im Licht glänzten. Der phänologische Hochsommer werde durch die Blüte der Sommerlinde eingeleitet, hatte ihm Herr Emmermann einmal erklärt. Sie sei die wichtigste Kennpflanze für diese Jahreszeit. Diese beiden Sätze fielen ihm unter Garantie jedes Mal ein, wenn er den Baum ansah, und manchmal wünschte Eisen sich, er hätte sie nie gehört.
Herr Emmermann aber ließ sich nicht beirren: »Überleg doch mal, wie viel schlimmer es hätte kommen können – denk bloß an den Rechtsanwalt mit seiner Frau, bis wir die draußen hatten! Nein, nein. Ich sage dir: Kinder – das ist machbar.«
Und pfeifend stand er auf, um in den Keller zu gehen und Bier zu holen. Die Wahrheit war, dass er sich über frisches Fleisch und Blut freute. Ihm war in letzter Zeit ein wenig langweilig geworden.
In den nächsten Tagen malte Herwig sich die vielen Vorteile aus, die so eine Wohngemeinschaft ohne Zweifel hätte. Zum Beispiel hatte er schon immer davon geträumt, dass er, wenn er tagsüber im Garten war, die Toilette der Wohnung im Erdgeschoss benutzen durfte, da er nicht ständig in den dritten Stock laufen wollte: Das war eine ziemliche Rennerei, da er schon bei der Arbeit gerne ein Bier trank und deshalb oft Wasser lassen musste. Er würde einfach dem Studenten gegenüber, den er für den Schüchternsten hielt, behaupten, das sei hier Usus, es sei schließlich ihrer aller Garten, den er da pflegte.
Er stellte
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