Die Häuser der anderen
stören. Groß und braun gebrannt, mit ihrem dämlichen Pferdeschwanz und ihrer ewigen Flasche Multivitaminsaft, saß sie da und las und kritzelte irgendwas an die Ränder des Papiers. Er konnte ihre ekelerregende Vanille-Sonnenmilch zehn Meter gegen den Wind riechen.
Jetzt pirschte er sich von hinten an: »Sind Sie denn bescheuert?«, fragte er, donnernd laut. Die Faulenzerin zuckte zusammen, dann zeichnete sich Überraschung in ihrem Gesicht ab.
»Wie bitte?«
»Ihr Gartenstuhl zerdrückt die Pflanzen.«
Sie schaute auf die Grasbüschel zu ihren Füßen und schüttelte nur den Kopf, anstatt zu antworten. Emmermann wäre ihr am liebsten an die Gurgel gegangen. Er beschloss, sie so lange anzustarren, bis es ihr ungemütlich wurde und sie abzog. Aber sie las einfach weiter. Nach einer halben Stunde rief Sven aus dem Fenster nach ihr, und sie rief zurück, er solle doch zu ihr herauskommen.
Der aber lehnte ab: »Viel zu heiß!«
Also ging sie endlich ins Haus. Herwig konnte das nicht als Sieg verbuchen und ärgerte sich während des ganzen weiteren Tages. Detailliert berichtete er seinem Lebenspartner von der Unverschämtheit der Gartenbesetzerin, und Herr Eisen stimmte ihm zu und heizte seine Wut noch mehr an. Er war froh, dass er endlich seinen Herwig wiedererkannte – diese neue, harmlosere Variante, die Musik hörte und nichts gegen das junge Gemüse im Haus unternahm, war ihm äußerst suspekt gewesen. Doch nun schien er wieder so unerschrocken wie ehemals; mit der Mahler lieferte er sich einen erbitterten Kampf. Die Frau versuchte, ihr Territorium zu erweitern, indem sie Kübelpflanzen auf die Terrasse stellte, Herr Emmermann goss sie nachts mit Terpentin. Weitere Kübel tauchten auf. Herr Eisen und Herr Emmermann machten sich an den Wochenenden und werktags ab Viertel vor fünf, sobald sie draußen saßen, lauthals über ihre Versuche der Terrassengestaltung lustig.
»Aus dem Weg, Miststück«, sagten sie beide gleichzeitig, als sie der Mahler zufällig im Flur direkt gegenüberstanden.
Doch anders als Herr Eisen war Emmermann nicht glücklich, ganz im Gegenteil. Aus Gründen, die er selbst nicht kannte, hielt er das Ergebnis seiner Schikanen für inakzeptabel. Es lag wohl zumindest teilweise daran, dass Sven aufgehört hatte, ihn zu grüßen. Emmermann konnte noch so laut und vorwurfsvoll »Guten Tag!« trompeten, Sven sah einfach weg. Es wäre einfacher, wenn Emmermann ihn der Blondine zuschlagen und ebenfalls hassen könnte, aber so funktionierte es nicht. Im Gegenteil: Als bräuchte so viel Hass einen Gegenpol, liebte er Sven um so stärker. Und obwohl der sich nichts anmerken ließ, war Herwig sich inzwischen fast sicher, dass Sven ihn heimlich liebte. Er wusste, wie viel es manche angebliche Heteromänner kostete, sich einzugestehen, dass sie keine waren. Welche Aufopferung, welche Selbstverleugnung musste es ihn kosten, weiterhin die Kerzenlichtdiners, das Schreien, Stöhnen und Knutschen in den Nächten mit Mirjam vorzuspielen, das Emmermann manchmal nachts am Fenster unten belauschte, wenn Eisen längst schlief. Und als Mirjam die beiden Hundewelpen anschleppte, wie schwer musste es Sven da gefallen sein, diesen lächerlichen Versuch, ihn in eine Pseudofamilie zu integrieren, nicht einfach wegzulachen, nicht einfach in einen einzigen hysterischen Lachkrampf auszubrechen wie Emmermann, der es nicht glauben konnte, dass die Frau tatsächlich zwei Hunde anschleppte. Die im Übrigen noch nicht einmal stubenrein waren. Er beobachtete, wie die Mahler mehrfach am Tag mit beiden Tieren in den Armen auf die Terrasse rannte und sie in die seitliche Begrünung pinkeln ließ. Wahrscheinlich hätten die Tiere noch länger bei ihrer Mutter bleiben müssen. Sie waren so klein, dass sie nicht einmal ein Bein heben konnten. Sie sahen aus wie Zwillinge, beige, mit eingedellten schwarzen Schnauzen. Schlappohren hingen an den großen runden Schädeln, und zwei Paar weit auseinanderstehende Knopfaugen sahen den Betrachter hilflos an. »Das werden einmal richtige Kampfhunde«, sagte sich Herr Eisen schockiert, der die fast reinrassigen englischen Bulldoggen mit Pitbulls verwechselte. Herr Emmermann, der neben ihm am Fenster stand, stimmte zu, nahm dem Freund das Fernglas aus der Hand und besah die künftigen Kampfhunde, die allerdings nicht ganz das Kampfhundformat hatten, das sie mit Sicherheit bekommen würden. Sie waren eher noch recht wackelig auf ihren kurzen, dicken Beinen.
»Was werden wir tun?«, fragte
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