Die Häuser der anderen
einen Antrag; Mirjam würde begeistert sein. Und er würde nie, nie wieder dieses grässliche Pfeifen ertragen müssen.
Herr Emmermann hatte mehr Zeit über Gift nachzudenken, als ihm lieb war, denn am übernächsten Tag stolperte er auf der Treppe, polterte auf das Schmerzhafteste fünf Stufen herunter und brach sich das rechte Bein. Er war sich sicher, jemand hätte einen Teil der Treppe mit Melkfett oder Ähnlichem eingeschmiert, und drängte seinen Lebensgefährten, die betreffende Stelle daraufhin zu untersuchen, aber Herr Eisen, der täglich zu ihm ins Krankenhaus kam – sehr zu seinem Leidwesen musste er dazu wieder Bus fahren –, fand keine Spuren. So konnten sie nicht einmal Anzeige erstatten. Es war ein Dilemma. Denn natürlich war Herrn Emmermann nun für geraume Zeit die Gartenarbeit unmöglich geworden; er konnte weder düngen noch die Walnussbäume zuschneiden. Außerdem fiel auch das Ausspionieren fürs Erste flach; er war einfach nicht in der Lage, abends mal rasch die Treppe herunterzulaufen, um zu kontrollieren, ob späte Heimkehrer die Haustür ordnungsgemäß abgeschlossen hatten; die Humpelei war allzu mühsam. Herr Eisen musste angelernt werden, die nötigste Gartenarbeit zu verrichten. Da er aber körperliche Arbeit nicht gewohnt war, war er nach fünfzehn Minuten erschöpft und schlechter Laune. Insgeheim dachte sich Herr Emmermann, da sieht der Bert mal, was ich hier im Haus alles leiste. Aber es war ein schwacher Trost. Weder war Herwig ein geduldiger und dankbarer Kranker, noch stellte Herr Eisen einen geeigneten Pfleger dar. Zudem hatten sie sich jetzt, da ihre Beobachtungsfreuden wegfielen und sie mit den Schikanen pausieren mussten – Herr Eisen allein hatte einfach nicht mehr die Energie –, nichts mehr, worüber sie miteinander reden konnten. Beide hatten ausgesprochen schlechte Laune und kreischten sich bei jeder Gelegenheit an wie zwei alte Marktweiber. Herr Eisen war mit dem Haushalt vollkommen überfordert – ihm war nie zuvor aufgefallen, dass sich das Essen nicht von selbst kochte und das Gemüse nicht herspaziert kam. Es fehlte plötzlich an allem: an Bier, an Knoblauchgurken und sogar an Klopapier. Herr Emmermann lag auf dem senfgrünen Sofa, das eine Bein hochgelagert, eine Flasche Bier in Griffweite, und litt, während Herr Eisen versuchte, das Chaos nicht überhandnehmen zu lassen. Die Gerichte, die er kochte, schmeckten nach nichts, und Herr Emmermann sagte eines Abends, dass sie doch lieber den Pizzaservice anrufen sollten. Herr Eisen, der innerlich resigniert hatte und sich immer häufiger fragte, was er mit dem unzufriedenen Invaliden auf seinem Sofa eigentlich wollte, lächelte böse und widersprach nicht. Es waren teure Wochen. Das einzige spärliche Vergnügen gewährten dabei die Fantasien über den Gifttod der beiden Kampfhunde.
»Es ist ganz einfach: Schokolade«, sagte Herr Emmermann eines Tages, als er den Fernseher nach einer Folge Der Tierdoktor berät ausschaltete.
»Was ist ganz einfach Schokolade?«, fragte Eisen, der halb ohnmächtig vor Erschöpfung im Sessel saß und sich mit letzter Kraft die schweißigen, wunden Füße rieb.
»Hunde sterben, wenn sie eine gewisse Menge an Schokolade gefressen haben«, sagte Emmermann begeistert. »Und ich habe schon befürchtet, man müsste extra Gift in der Apotheke besorgen! Aber nein, völlig unauffällig: Schokolade. Zwei, drei Tafeln dürften reichen.«
Seine Augen glänzten. »Das war ein hochinteressanter Fall da eben. Vergiftungen kommen anscheinend bei so Viechern sehr oft vor, und fast ebenso häufig verdächtigten die Besitzer irgendwelche Leute, die es getan haben sollen; die Polizei hat keine Zeit, solche Anzeigen groß zu verfolgen.«
Herr Eisen blickte missmutig auf.
Emmermann fuhr fort: »Im Prinzip könnte ich das direkt vor meiner nächsten Kontrolluntersuchung machen. Ich gehe kurz in den Garten, verstecke ein hübsches Schokoladennest und nehme dann das Taxi.« Er nickte zufrieden vor sich hin – so hätte er auf jeden Fall etwas, auf das er sich während des nächsten Arzttermins freuen konnte.
»Haben wir noch Schokolade da?«, fragte er.
Herr Eisen zuckte die Schultern. Er war zu k.o., um sich selbst von so einem großartigen Plan mitreißen zu lassen.
Herr Emmermann machte eine wegwerfende Handbewegung und humpelte los, um selbst im Vorratsschrank nachzusehen. Nichts, natürlich. Bert würde gleich morgen einkaufen gehen müssen. Doch als Emmermann zurück im Wohnzimmer war,
Weitere Kostenlose Bücher