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Die Häuser der anderen

Die Häuser der anderen

Titel: Die Häuser der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Scheuermann
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Eisen mit vor Lust bebender Stimme.
    »Ich weiß es noch nicht. Aber ich werde einen Plan machen. Einen guten Plan.« Und bei sich dachte er: »Armer Sven. Das Weibsstück hat ihn gefangen.«
    Ja, er hatte Mitleid mit Sven – so lange, bis er »das Gespräch«, wie er es im Nachhinein nannte, mithörte. Sven und Mirjam hatten lang und breit besprochen, was sie zum Abendessen kochen würden – Dorade –, und dann auf einmal das Thema gewechselt. Ihr Kopf erschien kurz am Fenster, Emmermann duckte sich rasch hinter einen Strauch.
    »Ist er da?«, fragte Sven. Herwigs Herz klopfte: Er wurde vermisst!
    »Keine Ahnung, ich glaube nicht. Aber bei dem weiß man nie. Er schleicht sich immer so an – man müsste ihm eine Glocke umbinden«, antwortete die Mahler und warf die Hände nach oben, um auf unverschämte Art und Weise zu zeigen, wie Emmermann sich angeblich bewegte.
    »Noch schlimmer finde ich es, wenn er pfeift! Es ist einfach grässlich!«
    »Er ist vollkommen verknallt in dich, das ist dir schon klar?«
    »Oh Gott, hör auf!«
    Es war der Widerwille in Svens Stimme, der Emmermann mehr schockierte als der Inhalt der Sätze. Der Ton war es, der Herwig sagte, dass Sven die Frau nicht anlog, um seine Gefühle für ihn zu vertuschen. Er hatte einfach keine.
    Herwig war nicht gekränkt. Das wäre eine zu schwache Formulierung gewesen. Er war zerstört. Was hatte er getan, um derart bestraft zu werden?
    »Ich gehe mit den Hunden raus«, hörte er Sven noch sagen; es folgten das charakteristische Klirren der Leinen und das Zuschlagen einer Tür, als er nach vorne zur Straße die Wohnung verließ. Emmermann setzte sich mitten ins Gras, was er noch nie getan hatte. Er saß lange da; sein Kopf war leer.
    Gift, dachte er dann, als er langsam die Treppe nach oben in den dritten Stock ging. Es würde nicht anders gehen.
    Sven spazierte die Gerauer Straße entlang nach Hause. Er kam an den Hochhauskomplexen vorbei, in denen er ebenfalls eine Wohnung angeboten bekommen hatte, die er aber zugunsten des Mietshauses im Kuhlmühlgraben ausgeschlagen hatte – er hatte diese Straße so verdammt schick gefunden. Jetzt überlegte er sich zum wiederholten Mal, ob das nicht ein Fehler gewesen war. Mini und Maxi an den Leinen zogen ihn nach vorne, und er gab ihnen mit einem kleinen Ruck das Kommando, sich seiner Schrittgeschwindigkeit anzupassen. Der Abend war schon etwas kühler, es war angenehm, nach diesem heißen Sommer ein wenig Wind auf der Haut zu spüren. Man brauchte noch keine Jacke. Noch einmal ruckte er an den Leinen. Für einen Augenblick hatte er gedacht, Mirjam hätte die Hunde wirklich nur zur Provokation ihrer Nachbarn gekauft, aber selbst wenn es so gewesen wäre: Inzwischen hatten beide die Kerlchen lieb, man konnte einfach nicht anders. Zumindest, wenn man normal war: Die beiden emotionalen Krüppel im dritten Stock hassten Hunde natürlich. Ja, diese Sache mit den unmöglichen Nachbarn war ärgerlich. Es hätte alles so schön sein können. Er liebte Mirjam, er fand sie sexy und natürlich (»Ich stehe einfach auf natürliche Frauen«, sagte er seinen Freunden immer), er hatte die Hunde lieb gewonnen, und da man die beiden anderen Mitbewohner nie zu Gesicht bekam, fühlte es sich fast an, als wohnte er mit dieser kleinen Familie allein. Doch immer wieder war alles vergiftet, weil Mirjam wegen des pfeifenden Ungeheuers wütend war oder traurig. Neulich hatte sie sogar deswegen geweint. Als Sven an ihre Tränen dachte, blieb er abrupt stehen, und zwei Paar Hundeaugen schauten ihn vorwurfsvoll an.
    »Ich muss etwas unternehmen«, erklärte er ihnen. Er drehte um und betrat den Wohnkomplex, den er damals besichtigt hatte. Unten hingen graue Briefkästen nebeneinander, funktional und unpersönlich wie die Käfige in einer Legebatterie.
    Daneben, das wusste er noch von seinem Besuch, war das schwarze Brett. Zwei Wohnungen wurden angeboten, ein Einzimmerapartment (war das immer noch dasselbe?), das jetzt nicht mehr infrage kam, und eine ziemlich geräumige Dreizimmerwohnung. Das Penthouse, genau genommen. Das ist es, sagte er sich. Da hat Mirjam eine eigene Dachterrasse, und ihre Pflanzen werden wachsen und gedeihen. Er würde sie fragen, ob sie zusammenziehen wollten, so richtig, kein Kinderkram mehr. Er würde den größten Teil der Miete, die mit Sicherheit um einiges teurer war, bezahlen können, weil er mit seinen Hauskonzerten für betuchte Frankfurter Bürger sehr gut verdiente. Er würde es formulieren wie

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