Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Häuser der anderen

Die Häuser der anderen

Titel: Die Häuser der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Scheuermann
Vom Netzwerk:
sie dabei.
    Immer noch in die Betrachtung des fremden Anwesens versunken, hörte Gaby plötzlich ein unmelodisches Pfeifen, und als sie sich umdrehte, starrte sie direkt in das bösartige Gesicht des dicken Herrn Emmermann – sie war ihm einmal gefolgt, weil sie nicht recht wusste, was er in der Gegend verloren hatte, und fand dabei heraus, dass er in dem einzigen Mietshaus wohnte, wo er anscheinend sämtliche Bewohner terrorisierte. Da sie die Gemeinsamkeit besaßen, nicht zu den noblen Kreisen hier zu gehören, und dies bei ihrem ersten Aufeinandertreffen sofort gewittert hatten, hassten sie sich instinktiv und von Grund auf, wie zwei Fressfeinde im selben kleinen Aquarium.
    »Na, bisschen gucken?«, blökte er und kicherte dümmlich. Das Ekel hat Recht, ich muss weiter, sagte sich Gaby, die ihn keiner Antwort für würdig befand. Sie konnte nicht länger auf der Stelle laufen, es sah wirklich seltsam aus.
    Also trabte sie wieder los. In anderer Hinsicht war es schon zu spät. Die Unzufriedenheit hatte wie ein Dämon von ihr Besitz ergriffen; weshalb bloß gelang es ihr nicht aus eigener Kraft, ein zumindest taunstättähnliches Zuhause zu schaffen? Irgendetwas lag immer quer, war immer unpassend. Zu den Dingen, die wie von selbst über ihre Türschwelle kamen, gehörten Fernsehzeitschriften, Polyesterpullover, ausgelatschte Sandalen, schmierige Geldbörsen; nein, sagte sie sich, so kommen kein Flair und kein Esprit auf.
    Sie hatte ihre optimale Geschwindigkeit erreicht, in mittlerem Tempo joggte sie über die Hundewiesen und dann zwischen den Bäumen hindurch. Ihre Wangen glühten, die Luft war klebrig, aber sie fühlte sich fit, mit jedem Atemzug besser. Als nähme sie mehr und mehr in ihrem Körper Platz. Ich bin ganz bei mir, ich bin ganz bei mir, schienen ihre Schritte zu sagen. Dann war das erste kleine Waldstück zu Ende, sie musste ein Feld überqueren. Das Geräusch eines Wagens drang an ihr Ohr, ein leichtes Knirschen auf dem nicht asphaltierten Weg. Der Schotter unter den Reifen wurde in den Boden gedrückt. Es störte sie. Sie wendete den Kopf und grüßte majestätisch die verdunkelten Scheiben. Die Reichen wollten, warum auch immer, nicht gesehen werden. Wer sich verbarg, war bedeutend. Manche Hausbesitzer wollten nicht einmal ihren Namen an der Türklingel oder am Briefkasten preisgeben: Bei den Taunstätts stand beispielsweise immer noch »Mustermann«; es war sehr sonderbar und ein bisschen verrückt. Britney hatte einmal behauptet, es läge daran, dass solche Leute sich einbildeten, jeder würde sie kennen – vielleicht war es ja so.
    Gaby bog in den Weg zu den Tennisplätzen ein, wo sie ihre Tochter um diese Zeit antreffen würde; Britney jobbte abwechselnd mit zwei bwl -Studentinnen im Café des tc Schwarz-Weiß. Schon von Weitem sah sie ihre Tochter hinter der Theke stehen und Gläser polieren; Gaby winkte ihr zu. Es war schön, sich hier zu treffen, für beide. Wenn Gaby morgens um kurz nach vier Uhr aufstand, um zur Arbeit zu gehen, schlief Britney noch; kam Gaby nach Hause, war ihre Tochter jobben, entweder in der Parfümerie Douglas oder hier beim Tennisclub.
    Das Café war leer, wie meistens werktags um diese Zeit, der große Ansturm kam nach sechs Uhr abends. Es gab außer Getränken auch kleine Gerichte und am Wochenende Kuchen. Zwei Jungs verließen das Lokal gerade. Gaby hörte das regelmäßige Plopp-Plopp der Tennisbälle von den Plätzen und Stimmen und Geschrei aus den Duschkabinen neben der Tennisbar. Das Juniortraining war anscheinend gerade vorbei.
    Mutter und Tochter umarmten sich. Britney sah aus wie eine jüngere, frischere Version von Gaby, sie war etwas größer, besser proportioniert und hatte ihre langen Haare nicht rötlich getönt, sondern blauschwarz mit ein paar lila Strähnen. Ihr Gesicht war so braun gebrannt, dass sie fast wie eine Indianerin aussah, wenn sie sich manchmal zum Spaß Zöpfe flocht. Gaby erklomm einen der Hocker, damit Britney hinter der Theke weiterspülen konnte.
    »Was willst du trinken, Mom?«
    Bevor Gaby antworten konnte, machte sie sich daran, ihr ein Halbliterglas zu einem Drittel mit Apfelsaft zu füllen und mit Mineralwasser aufzugießen. Gaby griff dankbar danach. Es war Spätnachmittag, aber noch gleißend hell und höllenheiß draußen. Sie war verschwitzt. Auch Britneys Brustansatz in dem Spaghettiträgertop glänzte feucht.
    »Ich mach’s«, sagte Gaby, noch bevor sie das Glas richtig abgesetzt hatte. Britney zog die dünn

Weitere Kostenlose Bücher