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Die Häuser der anderen

Die Häuser der anderen

Titel: Die Häuser der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Scheuermann
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gezupften Augenbrauen hoch, legte das Geschirrtuch weg und stützte die Arme auf die Theke: »Du machst es? Bist du sicher?«
    »Ich rufe einfach an und sage, ich hätte davon gehört. In Putzfrauenkreisen, sozusagen.«
    Sie versuchte, nicht allzu bedauernd zu klingen. Dieser blöde Mark wollte von Heirat und Kindern noch nichts wissen; sie hatten es im Guten versucht.
    »Sie wird dich nicht haben wollen, wenn du eine alte Bekannte dieser Raina bist«, gab Britney zu bedenken.
    »Ich sage, ich hätte es von jemandem gehört, der sie nicht leiden kann. Der sie nicht integer findet.«
    »Integer?« Britney kicherte, weil sie die neueren Ausdrücke im mütterlichen Sprachschatz immer gleich erkannte.
    Gaby lachte mit, wurde aber rasch wieder ernst: »Was hat sie eigentlich geklaut?«
    Britney zuckte die Achseln. »Ich habe keine Ahnung. Das hat Mark mir nicht erzählt. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob das stimmt.«
    Gaby nickte, das war oft der Fall: Die Dame des Hauses verlegte etwas, und beschuldigt wurde die Putzfrau. Einmal hatte sie davon gehört, dass der Ehemann angeblich vergessen hatte, seiner Geliebten ein Geburtstagsgeschenk zu kaufen, und stattdessen, sehr clever, ein hübsches Schmuckstück seiner Frau ausgesucht hatte. Die hatte es natürlich sofort gemerkt, und wer war gefeuert worden – na klar, die Haushaltshilfe. Bei der Fernsehrichterin Barbara Salesch hatte es einen vergleichbaren Fall gegeben, in dem alles aufgeklärt wurde, aber in Wahrheit gewannen die Arbeitgeber, immer.
    Bevor Gaby fragen konnte, wie es zwischen Mark und Britney lief, kam Kundschaft: drei Jungs, die Eis wollten, und ein sehniger Mann mit Baseballkappe und riesigen Schweißflecken unter den Achseln und am Rücken seines weißen Poloshirts. Er rief: »Britney, Süße, hey. Mach einem ausgepowerten Sportler ’nen Eiweißshake.«
    Während ihre Tochter sich dem Trainer zuwandte, dachte Gaby an Mark, den Adoptivsohn der Taunstätts, der inzwischen Britneys Freund war. Meine Güte, wie glatt alles gelaufen war. Bisher.
    An den Rummel um die Adoption vor fünf Jahren erinnerte Gaby sich noch; Britney war damals erst elf gewesen. Angefangen hatte es mit Spekulationen in den Illustrierten; Tanja Taunstätt interessiere sich neuerdings für andere Themen als sonst, hieß es. Es wurde gemunkelt, sie habe ihre wohltätige Ader entdeckt. Dann sah man sie mit ihrem Kamerateam in Heimen, kurz darauf beim Interview mit Angelina Jolie über Ziehkinder. Zuletzt gab sie öffentlich zu, dass sie und ihr Mann anscheinend keine Kinder bekommen könnten, aber gerne welche hätten, und dann war es raus: Sie werde adoptieren.
    Gaby hatte geglaubt – alle hatten das –, die Taunstätts würden ein süßes, formbares Baby zu sich nehmen. Aber nein, sie machten es sich richtig schwer, indem sie einen Vierzehnjährigen aussuchten, der es im Leben nicht leicht gehabt hatte, aber, wie Tanja Taunstätt verkündete, eine reine Seele besaß. Eine traumatisierte reine Seele.
    Gaby hatte zuerst Fotos von Mark Taunstätt gesehen, und seine Seele war ihr geradezu ins Auge gestochen. Mark war auf beängstigende Weise schön. Im Nachhinein redete sie sich gerne ein, sie hätte schon beim ersten Blick auf das Bild gewusst, dass sie da den Schlüssel erblickte, der ihr die Tür zu einer besseren Zukunft öffnen würde. In Wahrheit war es viel später: als sie bemerkte, dass Britney das Foto aus der Bunten im Altpapier gefunden und in ihr Album geklebt hatte, weil sie fand, Mark ähnele Leonardo di Caprio.
    Inzwischen – Gaby hatte sich in Sachen Taunstätt weiterhin auf dem Laufenden gehalten und brannte langsam darauf, dass Britney endlich ins Spiel kam – hatte Mark sein unschuldiges Aussehen verloren, die Haut war schlechter, die reizvollen lockigen Haare hatte er millimeterkurz getrimmt, die Tätowierungen zeigte er entweder jetzt erst, oder er hatte sie sich neu machen lassen. Gaby glaubte, die Handschrift des Tätowierers im Bahnhofsviertel zu erkennen; der Idiot stach immer die gleichen Totenköpfe. Sie mochte Mark jetzt noch lieber: Dieser Junge stammte aus ihrer Welt. In Interviews berichtete Tanja Taunstätt längst nicht mehr von den Freuden, einem hochintelligenten jungen Menschen, der bisher nur nie eine Chance gehabt hatte, mit Rat und Tat zur Seite stehen zu können. Im Kuhlmühlviertel und darüber hinaus hatte sich herumgesprochen, dass Mark auf seine reichen Retter ungefähr so gut hörte wie ein Pitbullwelpe auf Regieanweisungen.
    Zu

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