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Die Häuser der anderen

Die Häuser der anderen

Titel: Die Häuser der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Scheuermann
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sich die schwere Maschine kaufte, die ihn dann aus der Kurve trug, haben wir auch über eine Generalüberholung des Hauses gesprochen. Wollten ein paar Wände einreißen, es heller machen. Vielleicht auch Weiß. Der Unterschied zwischen uns und Luisa und Christopher wäre nicht so groß gewesen. Vielleicht hätten wir sie mal zum Grillen eingeladen.
    In Luisas Zimmer liegt wie immer ein aufgeschlagener Katalog auf dem Schreibtisch. Daneben, exakt parallel zum Katalogrand, ihr Nicht-Reise-Füller, der fette Montblanc mit dem eingravierten Namen, den Christopher ihr zu irgendeinem Hochzeitstag geschenkt hat. Ich setze mich an ihren Schreibtisch – er heißt Rockabilly, fällt mir plötzlich ein – und blättere ein bisschen. Stehe auf, um die Weinflasche zu holen, mache es mir wieder bequem. Gustave Courbet. Nichts Modernes, ältere Sachen. Stillleben, Schiffsbilder, junge Frauen in langen Kleidern, die im Grünen herumliegen. Durch den Wein kann ich alles wahrnehmen, mich ganz in die Gemälde versenken. Es sind keine Aquarelle, sondern richtige Ölschinken. Bei einem seltsamen Bild schenke ich mir das letzte Glas ein, um es langsam zu trinken und dabei nur diese Seite anzusehen. Ein Mann im weißen Hemd, mit dunklen Locken, starrt mich mit braunen, aufgerissenen Augen an. Er hat die Arme hochgeworfen, und sieht aus, als wollte er gleich aus dem Bild springen. Sein Hemd ist wirklich weiß, so weiß, dass es fast bläulich aussieht, und die Augen sind dunkel und funkelnd und echt. Er sieht mich eindringlich und völlig verzweifelt an, und ich weiß nicht, warum. Ich suche nach dem Titel. Selbstbildnis am Abgrund . Gruselig. Ich klappe den Katalog wieder zu. Gehe in die Küche. Trinke ein Glas Wasser. Nehme die zweite Weinflasche mit Schraubverschluss. Setze mich auf das weiße Ledersofa. Benno ist eingeschlafen, er schnarcht. Mit einem schnarchenden, satten Hund darin sieht vermutlich jedes Wohnzimmer gemütlich aus. Ich gehe in Luisas Schlafzimmer. Suche nach einer Decke, die nicht weiß ist. Benno darf seinen Platz mit Hundehaaren beschmutzen, ich sollte besser keine Spuren hinterlassen. Finde schließlich noch so eine Kaschmirdecke in Beige. Ich ziehe die Schuhe aus, mache den Fernseher an, hole mir eine Wasserflasche. Aus dem Vorratsschrank eine Packung mit japanischen Reiscrackern. Sehe nach, ob eine dvd im Player ist, und schalte ein. Wahnsinn, ist das schön hier. Alles so sauber. So teuer. Ich kann ein Bad nehmen und mir endlich die Haare waschen. Mich mit guten Produkten eincremen. Dieser Unterschlupf ist für mich gemacht. Ich kann mei-ne Sachen waschen und in den Trockner stecken, und sie riechen nicht mehr nach Rauch oder modrig, weil sie bei mir in der kalten, feuchten Wohnung so schwer trocknen. Es gibt Waschmittel und Weichspüler. Ich kann mir die Nägel machen. Sie lackieren. Rosa oder perlmuttfarben oder hellrot. Nicht zu auffällig. Ich werde eine vollständig neue Person sein. Ich drücke auf Play. Es ist der Beginn einer Serie über eine Werbefirma, spielt in den Sechzigern. Ein gut aussehender Hauptdarsteller. Alle Kreativen haben Whiskeyflaschen in ihren Büros und nehmen schon vormittags einen Schluck. Alle rauchen. Als ich das sehe, will ich auch rauchen und Whiskey trinken. In Christophers Zimmer gibt es Zigarren und Zigarillos. Ich laufe schnell, ein paar Zigarillos holen. Muss ich morgen eben lüften. Und die Whiskeyflasche aus der eingebauten Bar in der weißen Schrankwand nehme ich auch. Dreißig Jahre alter Highlandirgendwas. Kann ich aber auch mit Preiswerterem auffüllen. Ich falle mit der Flasche in der Hand hin, aber sie fällt so weich auf den Perserteppich, dass nichts passiert. Benno guckt kurz hoch, sieht, dass ich wieder aufstehe, und legt den Kopf zurück auf die Pfoten.
    Ich lalle: »Schlaf schön, Kleiner.« Falle in mein Kaschmirnest auf dem Sofa und schlafe augenblicklich ein.
    Ich wache in meiner Kotze auf, weil ich ein Bellen höre. Benno sitzt direkt vor meinem Gesicht und sieht aufgeregt aus.
    »Schsch«, mache ich automatisch. »Schsch. Leiseleise.«
    Es ist heller Tag. Ich sehe die Kotze von der Kaschmirdecke auf den Perserteppich tropfen, es ist fast nur Flüssigkeit. Mir ist schlecht und schwindlig. Ich versuche mich aufzurappeln. Aufstehen geht nicht gleich. Ich bleibe erst mal sitzen. Benno rennt zur Tür. Flitzt zu mir, setzt sich vor mich, stupst mich mit der Pfote an. Er will Gassi gehen.
    »Das geht jetzt nicht, Süßer«, flüstere ich. »Frauchen kann

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