Die Häuser der anderen
beide wussten, dass sie log, und als Gaby in Britneys Augen sah, bemerkte sie einen so wilden Ausdruck von Verachtung, dass sie zurückzuckte.
»Manchmal denke ich, du machst es gerne!«, brüllte Britney.
»Was denn?«, flüsterte Gaby, immer noch erschrocken.
»Das Putzen! Du-du-du fühlst dich dann wie in deinem Scheiß-Lieblingsfilm, Das Leben der anderen ! Ha! Nur dass du kein Scheiß-Stasispitzel bist! Du hast keine Ideologie! Keinen höheren Auftrag! Du glaubst an gar nichts als an Geld! Geld macht dich an!«
Gaby wusste darauf nichts zu sagen. Es war, als hätte ihre Tochter alle Leidenschaft, die in ihrem Innern brannte, mit einem Mal gelöscht, aus, Schluss, Dunkel. Britney stand auf und ging zur Toilette, wo sie nicht sehr lange blieb; jedenfalls nicht lange genug, um sich einen Schuss zu setzen. Sie muss eine Tablette genommen haben, dachte Gaby automatisch. Britney hatte offenbar ihre Fassung wiedergewonnen. Jetzt stapfte sie zum Kühlschrank, nahm sich ein Bier und trank es aus der Flasche. Gaby fiel auf, dass sie selbst sich das Bier abgewöhnt hatte, lieber trank sie vom exquisiten Wein der Taunstätts.
»Also, ich erzähl dir was. In der Schule war ich seit Wochen nicht mehr. Und wegen Mark – nicht nur er hat angefangen, sich manchmal selbst zu bedienen!«
Gaby verstand wieder nicht, oder vielmehr: Alles in ihr wehrte sich dagegen, sie wollte es nicht begreifen. Die Art, wie ihre Tochter nervös zappelnd dasaß, sprach leider Bände.
»Pass auf, ich sage dir jetzt, wie es laufen wird, und diesmal mache ich die großen Pläne, allerdings solche, die auch mal durchgeführt werden, ja? Danach sind Mark und ich weg, und du kannst weiter die Putze spielen bis an dein Lebensende, wenn dich das glücklich macht.«
»Und du die Fixerbraut«, entfuhr es Gaby. »Meine Güte, du bist doch nicht blöd, Brit. Du kannst doch nicht so blöd sein!«
»Also«, sagte Britney kühl. »Wir werden Klein-Jenny entführen – das heißt, du bringst sie zu uns, dann verlangen wir eine Million Lösegeld, und weg sind wir, in Südamerika. Das ist der Plan, einfach, machbar, gut durchdacht!«
»Du bist völlig übergeschnappt!«, sagte Gaby. »So ein kleines Mädchen kriegt doch Angst.«
Britney lachte höhnisch auf.
»Und so leicht können die Taunstätts eine Million nicht lockermachen, die holen bestimmt die Polizei.«
»Die holen bestimmt die Polizei!«, äffte Britney sie nach. »Meine Güte, haben sie mit dir eine Gehirnwäsche gemacht, oder was? Ich bezweifle sehr stark, dass sie das tun werden. Die wissen, wozu Mark fähig ist.«
»Aber, ich meine, sie werden doch gleich vermuten, dass Mark hinter allem steckt?«
»Vermuten können sie viel. Sie werden keine Beweise bekommen. Saubere Sache.«
Britney stand auf; sie seufzte erschöpft. »Ich werde so froh sein, wenn ich diese Bruchbude nie wieder sehen muss. Sonne, Meer und Piña Colada. Und Mark und ich hören zu drücken auf, in so einem tollen Land braucht man das nicht. Dann machen wir vielleicht eine Tauchschule auf.«
Immerhin spricht sie wieder mit mir, erzählt von ihren Vorhaben, dachte Gaby verzweifelt. Das heißt doch, sie vertraut mir noch, oder?
»Also«, sagte Britney. Sie hatte sich noch ein Bier geholt und wirkte jetzt ziemlich aufgedreht. »Rettest du das Lebensglück und die Zukunft deiner einzigen Tochter? Halten wir zusammen? Ich sage dir ganz ernsthaft, dass es das Letzte ist, was ich verlange. Ich kann nur nicht ohne Kohle mit Mark nach Mexiko, da bringen wir es auf keinen grünen Zweig. Alles ist geregelt, wir machen das morgen, wir ziehen das durch, und nächste Woche sind wir weg. Du bringst die Kleine um halb vier an den tc Schwarz-Weiß, hinten, bei den Geräteschuppen.«
Sie ist high, dachte Gaby unglücklich.
»Ja. Wir halten zusammen«, sagte sie. Es war alles so unausgegoren. Doch was hätte sie sonst darauf antworten sollen?
Britney nickte, stand auf, warf ihre Jeansjacke über und verschwand. Da Gaby in der kleinen, bedrückenden Wohnung nichts mit sich anzufangen wusste, zog sie sich kurz darauf ebenfalls eine Jacke an. Sie würde auf das Angebot zurückkommen, bei den Taunstätts zu übernachten – Marks Zimmer war ja frei.
Sie schlich sich leise, genau wie Mark es oft getan haben musste, über den Hintereingang und die kleine Treppe hoch in den leeren Raum, setzte sich im Dunkeln auf das Bett und weinte ein bisschen.
Diese dumme Britney. Es war doch alles so gut gegangen!
Und dann sah sie das Buch, das
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