Die Häuser der anderen
weiß nicht, was ich ohne sie machen würde.«
Gaby lauschte solchen Dialogen mit dem größten Vergnügen und erlaubte es sich, ein wenig kühner zu werden. Sie verbot ihrer Arbeitgeberin Thunfisch, ihr Lieblingsessen, weil sie irgendwo gehört hatte, es gäbe Artensterben, nur um zu sehen, ob sie Einfluss auf sie hatte, und Frau Taunstätt bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Gaby stellte fest, dass die Frau bei aller Fernsehpräsenz eigentlich ein kleines Mädchen geblieben war, das froh war, wenn man ihm sagte, was zu tun sei. Weil Gaby so nützlich, ja, unverzichtbar für die Familie geworden war, machte sie ihr immer wieder kleine Geschenke wie Parfüm oder abgelegte Kostüme, die Gaby annahm, ohne sich groß zu zieren. Seit sie den Möpsen die Kommandos Sitz und Bleib beigebracht hatte und Paketzusteller sowie Freunde der Taunstätts sich wieder ins Haus trauten, verbesserte sich Doktor Taunstätts Verhältnis zu Gaby deutlich. Unangenehm war nur, dass seine Frau immer anhänglicher wurde und begann, sich bei Gaby über ihr Leben zu beklagen. Vor allem nachmittags, wenn sie endlich einigermaßen wach war, setzte sie sich gerne ins Wohnzimmer, während Gaby bügelte, um sich mit ihr zu unterhalten. Gaby legte keinen Wert auf solche Gespräche, sie war lieber alleine mit dem Baby und den Hunden, und beim Bügeln sah sie entweder fern oder hörte Radio. Beides machte mit Frau Taunstätt keinen Spaß, weil die pausierende Moderatorin ständig am Aussehen oder Sprechen der Kollegen herummoserte und die Auswahl der Studiogäste kritisierte.
»Wann fangen Sie denn wieder an? Vermutlich ist es nicht so gut, länger weg von der Bildfläche zu sein«, sagte Gaby vernünftig.
Frau Taunstätt lachte über ihr Sprachspiel und gab ihr Recht, aber alles in allem war es kein Thema, das sie besonders begeisterte. Gaby fürchtete, sie könnte ihre Show völlig aufgeben, und kam so oft wie möglich darauf zu sprechen.
»Ach, wenn ich die Babypfunde los bin, dann werde ich wohl wieder anfangen«, sagte Frau Taunstätt einmal, nachdem sie Gaby zwei Seidenkleider geschenkt hatte.
Gaby nickte erfreut, verbannte sämtliche fetten und süßen Speisen aus dem Haus; es würde von jetzt an ausschließlich Gemüse geben. Ungefragt brachte sie Kartoffeln, Äpfel und Brot mit zu den Taunstätts und behauptete, es seien wertvolle ökologische Produkte vom Hof ihres älteren Bruders bei Gießen; sie nannte fantastische Kilopreise, die Frau Taunstätt ihr anstandslos bezahlte – in Wirklichkeit war alles aus dem Discounter. Frau Taunstätt, die sich, wie so oft, die Bemühungen ihrer Haushaltshilfe gar nicht so umfassend vorgestellt hatte, machte halb aus Überraschung, halb aus Höflichkeit mit und verlor prompt in drei Wochen fünf Kilo.
»Angelina«, sagte sie – Gaby hörte inzwischen auf den Namen wie auf ihren eigenen –, »Angelina, wir müssen unbedingt gemeinsam ein Diätkochbuch herausbringen. Tippen Sie alle Rezepte in den Computer, ja? Sie können mein Büro benutzen.«
»Hm«, sagte Gaby, mit deren Rechtschreibung es haperte, »wäre es auch möglich, dass ich Ihnen diktiere, wissen Sie …«
Und Frau Taunstätt, die sich vor nicht allzu langer Zeit in einer ihrer quotenstärksten Sendungen mit ausgewählten Analphabeten über deren Probleme im Alltagsleben unterhalten hatte, rief verständnisvoll: »Aber natürlich!«, um Gaby beziehungsweise Angelina die Scham zu ersparen, sich noch weiter erklären zu müssen. Jenny schlief inzwischen gut durch, und Frau Taunstätt rief nicht mehr bei jedem Schluckauf den Notarzt, sondern entwickelte fast so etwas wie Gelassenheit. Angefeuert von Gaby verbrachte sie viel Zeit am Schreibtisch, um einige Anekdoten aus ihrem Prominentenleben zusammenzustellen – »Sonst kauft kein Mensch ein Gemüsekochbuch«, sagte Gaby, die sich für den Plan begeisterte. Hier und da zweifelte sie aber doch, dass die Publikation tatsächlich verwirklicht würde. Und wenn, käme sie dann wirklich gemeinsam mit der berühmten Tanja Taunstätt auf das Titelblatt? Der Fotograf, der eigens mit zwei Taschen fotogenem Plastikgemüse ins Haus gekommen war, machte zwar Bilder von Tanja Taunstätt und Gaby zusammen, aber eben auch sehr viele von der Moderatorin alleine. Gabys Besorgnis machte das Unternehmen noch reizvoller. Meine Güte, wer hätte das auch nur im Traum gedacht? Ihre Rezepte, die simple Kohlsuppe ihrer Großmutter, die sie früher aus reiner Armut gelöffelt hatten – Tanja Taunstätt
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