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Die Häuser der anderen

Die Häuser der anderen

Titel: Die Häuser der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Scheuermann
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fand sie den letzten Schrei!
    Monate vergingen, und Gabys Leben in dem eleganten Haus wurde immer annehmbarer. Inzwischen kannte sie längst alle Schwachstellen des Haushalts, und es gab eine ganze Liste mit möglichen Unfällen, Vergiftungen und sonstigen Dingen, die Jenny zustoßen könnten, ohne dass jemals irgendwer – Herr Taunstätt und Mark schon gar nicht – auf die Idee käme, jemand anders als die ungeschickte Kindsmutter habe Schuld daran. Bloß – eigentlich wollte Gaby gar nicht mehr, dass Jenny etwas passierte. Sie riss sich kein Bein mehr aus beim Putzen, und von den kleinen, feinen Mahlzeiten, die sie für sich und Frau Taunstätt zubereitete – inzwischen gab es auch wieder etwas Fisch und weißes Fleisch –, nahm sie sich gerne die Hälfte. Herr und Frau Taunstätt hatten immer die neuesten dvd s im Haus, und einige davon, wie beispielsweise das Drama mit dem Stasioffizier und dem Künstlerpaar – wurden Gabys neue Lieblingsfilme. Ein paarmal hatte sie, wenn es spät geworden war, sogar im Gästezimmer übernachtet, meist, wenn Herr Taunstätt verreist war.
    Außerdem ging sie wieder joggen – im Viertel: Sie joggte mit Jenny im Babybuggy, und dabei fühlte sie sich noch besser als früher, als sie allein unterwegs gewesen war. Viele Leute kannten sie jetzt als »Frau Taunstätts Freundin«, und sie wünschten ihr guten Morgen und bewunderten das Kind. Gaby genoss die Komplimente, und sie begann, Fragen nach Frau Taunstätt, ihren Stimmungen, ihrer Gesundheit, ihrer Rückkehr zum Fernsehen freimütig und ausführlich zu beantworten. Der einzige Wermutstropfen war, dass Britney verschlossener und mürrischer geworden war. Gaby sagte sich, dass sie vielleicht eifersüchtig auf Jenny wäre, mit der Gaby ziemlich viel Zeit verbrachte; andererseits war Britney ja auch dauernd mit Mark unterwegs, in dem Alter war das normal. Ihre üble Laune mochte einfach daran liegen, dass sie die Klasse wiederholen musste und bei allem die Älteste war.
    Gaby war gerade dabei, im japanischen Garten ein Kräuterbeet anzulegen, während die acht Monate alte Jenny auf einer Wolldecke neben ihr im Gras lag und vor sich hin gluckste, als es klingelte. Tanja Taunstätt war zuerst an der Tür, und Gaby war überrascht, als sie Männerstimmen und Gepolter hörte. Sie stand auf, nahm Jenny auf den Arm und schlich ins Wohnzimmer, um in den Flur zu spähen. Sie bekam fast einen Herzschlag, als sie die beiden Polizisten sah. Hatte es etwas mit ihr zu tun? War sie wegen Schwarzarbeit dran? Hatte ihr Ex, Walther, wieder irgendwelchen Mist gebaut? Aber der wohnte längst mit seiner neuen Braut irgendwo weit weg. Ihr Herz schlug laut und unregelmäßig, und sie zog sich leise wieder in den Garten zurück. Es war ihr lieber, wenn die Beamten sie nicht sahen. Sie hörte polternde Schritte auf der Holztreppe, als alle zusammen in den ersten Stock marschierten, dann kamen die Stimmen aus Marks Zimmer, die schrille von Tanja Taunstätt und die tieferen der Beamten.
    Was ist bloß los?, dachte Gaby, aber im Prinzip wusste sie es. Hoffentlich hatte Mark sich für das Zeug, mit dem er dealte, ein vernünftiges Versteck ausgesucht. Sie musste so schnell wie möglich nach Hause und mit Britney reden, nicht etwa, dass sie da mit hineingezogen wurde … Ob ihre üble Laune in den vergangenen Monaten damit zu tun hatte? Aber sie waren doch ein altes Paar, Mark und Britney, über zwei Jahre zusammen inzwischen, so lange hatte Gaby es selber noch mit keinem ausgehalten. Ihre Gedanken überschlugen sich, vor allem jedoch breitete sich in ihr ein Gefühl unbestimmter Enttäuschung aus, dass Mark, für den sie eine solche Schwäche gehabt hatte, sich nicht als so ausgebufft erwiesen hatte, wie erhofft. Sie dachte an den neuen bmw , den der junge Taunstätt fuhr, an die Klamotten, die er Britney gekauft hatte – waren es in letzter Zeit weniger geworden? Sie war sich nicht sicher.
    Jenny, die von ihrer Mutter anscheinend durch die unangenehme Überraschung völlig vergessen worden war, plärrte, weil sie sich nass gemacht hatte, und Gaby musste sich wohl oder übel ins Haus begeben. Zu ihrer Erleichterung war die Polizei schon weg. Tanja Taunstätt hockte zusammengekauert auf dem cognacfarbenen Sofa. Gaby hatte angenommen, dass sie zerschmettert wäre, doch anscheinend konnte sie vor Wut kaum an sich halten. »Ja!«, brüllte sie in ihr Handy. »Ja, genau! Ja!« Dermaßen einverstanden mit irgendetwas oder irgendjemandem hatte Gaby sie

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