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Die Häuser der anderen

Die Häuser der anderen

Titel: Die Häuser der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Scheuermann
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den Preis in die Höhe zu treiben, sogar unter einer uralten E-Mail- Adresse mitgeboten, das sparte er sich längst. Er wollte sich schon abmelden, da bemerkte er, dass jemand zum am höchsten angesetzten Stück, Luisas Chanel-Kostüm, das sie einer Freundin abgekauft hatte, etwas wissen wollte. Er schüttelte verärgert den Kopf: Was gab es denn bei einem Chanel-Kostüm groß zu fragen? Trotzdem war er neugierig. Der Name Amber Davis schien außerdem nicht mal ein bestimmter, nur für Einkäufe zugelegter Spaßname zu sein.
    »Ich bin ein wenig abergläubisch und glaube eigentlich nicht an das Konzept Second-Hand-Kleidung«, schrieb Amber Davis. »Aber ich habe eine zweite Meinung eingeholt, und meine Freundin sagt, es wäre gut.«
    Sie ist Amerikanerin, dachte Christopher. Kein Mensch sagt hier »zweite Meinung«.
    »Ich wollte aber trotzdem fragen, ob Sie, als Sie das Kostüm getragen haben, eine gute Zeit hatten. Ich denke, es gibt Dinge und Gegenstände, die Glück bringen und andere tun es nicht. Dass Sie ein Baby bekommen haben, ist vermutlich ein glücklicher Umstand, und so nehme ich an, das Kostüm hat ein gutes Karma. Ich möchte nämlich nicht das Unglück anziehen, wenn ich darin über die Frankfurter Zeil spaziere.«
    Eine Amerikanerin, die an das Karma von Dingen glaubte und in Frankfurt wohnte.
    Er lachte laut auf, das war zu absurd. Und auch irgendwie sexy.
    »Bitte, liebe Shoppingmaus, nehmen Sie diese Frage nicht als Indiskretion«, schloss die E-Mail, und er war entzückt von der Vorsicht und der Würde, mit der diese Amber einer unter einem so lächerlichen Pseudomym wie shoppingmaus auftretenden Person gegenübertrat. Er beschloss, nicht nur zu antworten, sondern sogar ehrlich zu sein – einigermaßen zumindest.
    »Liebe Amber, da ich einige Sachen meiner Exfrau versteigere, die gerade Urlaub macht, und selbst niemals in diesem Kostüm gesteckt habe, würde ich lügen, wenn ich behaupten würde, ich könnte irgendetwas aus erster Hand sagen. Andererseits war ich an vielen – ich glaube sogar: allen – Abenden dabei, als sie es trug, und da schien sie mir schon sehr glücklich. Ich meine also, es würde Ihr Karma nicht gefährden, das Kostüm zu tragen. Mit besten Grüßen, Christopher B.«
    Er fand seine Antwort äußerst gelungen und begann, ein wenig Zeit im Netz zu vergeuden, weil er noch einmal nachsehen wollte, ob sie nicht vielleicht online war und gleich antwortete. Nichts. Er beschloss, schlafen zu gehen.
    Mitten in der Nacht wachte er auf und wusste, was Sache war. Luisa hatte ihn hereingelegt. Es gab keine Amber Davis. Im Traum hatte er das Buch gesehen, das sie »zur Unterhaltung«, wie sie, ganz die Streberin, immer betonte, in Venedig dabeigehabt und auch nach Berlin mitgenommen hatte: Amberville , von Tim Davys, irgendein Krimi mit Tieren. »Amber Davis« war ein Wortspiel, eine Art Anagramm. Das sah ihr ähnlich. Vermutlich hatte sie noch viele andere Pseudonyme und hatte ihm längst ihre Sachen wieder abgekauft. Für eine Sekunde überlegte er, ob dies nicht sogar die beste Lösung wäre, denn umgekehrt proportional, wie die Schränke sich leerten, wuchs sein schlechtes Gewissen. Dann nahm er seinen Verstand zusammen. Es war Quatsch – er hatte die Kleider in alle möglichen Städte geschickt, Städte, in denen sie definitiv niemanden kannte, und das Geld war von allen erdenklichen Kontonummern an ihn überwiesen worden. Außerdem sah sich Luisa niemals irgendwelche Sachen auf Ebay an; sie betonte immer, Einkaufen sei eine sinnliche Erfahrung, die sie nicht auf einen Mausklick reduziert haben wollte. Er musste sich zusammenreißen.
    Er angelte im Dunkeln nach der Mineralwasserflasche, die neben dem Bett stehen sollte, griff aber ins Leere. Wütend knipste er die Nachttischlampe an. Das Zimmer beruhigte ihn sofort, ein sonnengelb gestrichener Raum, gefüllt mit Schatten, Licht, Daunendecken, Bambus und dem Geruch nach frischen Laken. Er hatte auf die karge Einrichtung bestanden, und so gab es hier nichts als ein flaches Bett – kein Futon, aber sehr flach –, an jeder Seite noch flachere Bambuskästen als Nachttische. Das war alles. Auf den Bambuskästen durfte dann jeweils nur ein Buch liegen. Ach ja, und eine Wasserflasche war erlaubt. Da war sie auch schon. Er trank gierig. Dann war er auf einmal hellwach. Er stemmte sich aus den Kissen hoch und schlurfte in sein Arbeitszimmer, wo er den Computer einschaltete. Ambers Antwort raubte ihm den letzten Zweifel. Sie war

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