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Die Häuser der anderen

Die Häuser der anderen

Titel: Die Häuser der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Scheuermann
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träumte? Vielleicht war er noch gar nicht aus dem Bett gestiegen und hatte auch keine E-Mail gelesen, geschweige denn eine von Amber. Vielleicht war er in jener Nacht, als in ihm dieser Verdacht gegen Luisa hochkam, niemals wirklich aufgewacht.
    Gut möglich.
    Doch nun drängten sich zwei Uniformierte durch den Waggon, und wieso sollte er von einer Fahrkartenkontrolle träumen? Und dass er keine hatte und alle ihn anstarrten, während der Kerl laut seine persönlichen Daten durch den Waggon posaunte? Der Unsympath hatte auch noch ein blaues Auge – er würde nie einen Uniformierten mit einem blauen Auge in seinem Traum haben wollen, so viel war klar. Er konnte sich nicht vorstellen, dass in seinem Unterbewussten irgendein Bezug zur Gewalt vergraben war. Er blieb dennoch skeptisch, als er an der Hauptwache ausstieg, die Treppe hochging und sich auf die Bank setzte. Andere Anzeichen für einen Traum gab es nicht, oder?
    Okay, diese Amber sah aus wie Audrey Hepburn mit mehr Busen, das konnte man sehen, der Mantel war eng. Was nicht wirklich ein Abstrich war. Sie lächelte und gab ihm eine schmale Hand mit perfekt manikürten Nägeln, wie sie nur Amerikanerinnen an jedem einzelnen Tag der Woche haben. Sie trug eine kleine Plastiktüte, in der sich vermutlich ein englischsprachiges Buch befand, das sie sich eben gekauft hatte. Er fragte sofort nach.
    »Ja«, bestätigte sie mit sanfter Stimme. »Ich lese gerne in meiner Sprache. Habe ich so einen starken Akzent? Auch im Internet?«
    Sie lachten gemeinsam, aber vorsorglich sagte er ihr doch, dass sie praktisch keinen Akzent hätte, falls sie eitel war. Was er im Übrigen nicht glaubte.
    »Das ist eine nette Bank hier«, sagte sie, »aber wollen wir nicht doch in ein Café gehen? In Anbetracht des Wetters?«
    »Wetter?«
    Er sah sich um und hoch in den Himmel. Oh ja, war nicht schön das Wetter. Richtig. War ihm gar nicht aufgefallen.
    Sie gingen durch den Buchladen hindurch in das nächstgelegene Café, wo man auf unbequemen Barhockern an winzigen runden Tischen saß. Er gab ihr die Tüte und sie spähte vorsichtig hinein. Langsam breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus, und er besah es sich wie einen Sonnenaufgang. Ja, einer Frau ein Chanelkostüm zu überreichen, das machte Spaß.
    »Was haben Sie gekauft?«, fragte er, als es nach dem Bestellen eine kleine Pause gab. Sie zeigte ihm ein Buch von Jonathan Safran Foer, es ging um sein neues Leben als Vegetarier. Er blätterte ein wenig darin, besah es von vorne und hinten. Meine Güte, hatte er nicht auch neulich daran gedacht, Vegetarier zu werden, Veganer gar? Was für ein merkwürdiger Zufall. Wie erfreulich das Leben mit einem umspringen konnte, wenn es dazu in Laune war. Beinahe hätte er laut herausgelacht.
    Amber deutete bisherige gescheiterte Versuche an, fleischlos zu leben.
    »Ist es wegen der Steaks?«, fragte er verständnisvoll. »Ich muss sagen, das verstehe ich. Ich könnte auf so ziemlich alles verzichten – Rostbratwurst und Hühnerfrikassee und vielleicht sogar Burger, aber niemals auf Steaks. Wirklich niemals.«
    Sie beugte sich weit über den Tisch, brachte ihren Kopf sehr nahe vor seinen. Ihre Haut war makellos. Es gab eine Gesprächspause, aber eine gute – eine von diesen Pausen, in denen jeder sich sammeln konnte und nichts Eile hatte angesichts der Gewissheit, dass es in jedem Fall eine Menge Themen gab. Er dachte, dass es sehr freundlich von ihr war, so ein Geständnis wie das mit dem Fleisch zu machen, das gab ihm Platz für sein eigenes. Bloß, wie sollte er anfangen. Er trank ein wenig Cappuccino und stellte fest, dass ihrer schon leer war. Beinahe hätte er ihr seinen angeboten, weil er es von Luisa so gewohnt war – sie trank ihren in einem Schluck und spähte dann nach seinem –, da winkte Amber dem Kellner und bestellte nach. Für sich. Ohne Theater. Sie bestellte einfach. Er hörte nicht, was sie sagte, er sah nur, wie sich ihr Mund bewegte. Sie hatte, wie es schien, sogar Kuchen bestellt. Jedenfalls kam ein Stück Käsekuchen. Er sah ihr beim Essen zu. Und dann, er konnte kurz darauf schon nicht mehr sagen, wie, kam er ins Reden. Und ihm gelang es, mit Worten ein Bild seiner tatsächlichen Gefühlslage zu zeichnen, von jenen Ungeheuerlichkeiten zu berichten, die ihm von Luisa angetan worden waren, und von seiner Rache, die im Prinzip lediglich Notwehr war.
    Kaum hatte er etwas gesagt, wusste er, dass es genau so stimmte. Sie war eine ausgezeichnete Zuhörerin.
    Ihre

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