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Die Haie vom Lotus-Garten

Die Haie vom Lotus-Garten

Titel: Die Haie vom Lotus-Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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hier in der Stadt.
Außerdem schaffen wir pro Woche nur fünf, höchstens sechs Diebstähle. Und die
verdammten Stromausfall-Tabletten müssen wir aus eigener Tasche bezahlen.
Furchtbar! Nein, Michi, es ist nicht zu schaffen. Wir können nur hoffen, daß
uns die Polizei bald erwischt. Dann haben wir Ruhe hinter Gittern.“
    „Dort könnten wir nicht
zusammensein. Das wäre doch schrecklich.“
    „Ja, das wäre schrecklich.“
    „Gotti, ich spüre: Irgendwann
wendet sich alles zum Guten. Vielleicht gehen die Haie unter.“
    „Du meinst, sie ersaufen?“ Er
lachte hohl. „Die doch nicht! Die sind wie Fettaugen auf der Suppe. Die bleiben
und schwimmen oben. Und wir sind ihnen ausgeliefert, den Fettaugen.“
    Michaela schwieg. Sie hatte den
Führerschein erst seit einem Monat und mußte noch sehr auf jeden Handgriff
achten.
    Draußen war der Abend nicht
freundlicher geworden. Sie fuhren jetzt durch die Prixner Straße, die zum
Rotlichtviertel gehört, das hier in der Millionenstadt hinterm Ostbahnhof
liegt, aber schon Ableger gebildet hat in verschiedenen anderen Stadtteilen.
Hier gab es jene Bars und Abendlokale, die für Familienausflüge wenig geeignet
sind. Hier verführen leichtfertige Mädchen angesäuselte Kunden zum
kostspieligen Champagner-Gelage, hier findet verbotenes Glücksspiel statt in
abgeschirmten Hinterzimmern, hier hängen Szene-People rum, die sich was darauf
einbilden, daß sie schon jedes Rauschgift probiert haben — und geblieben sind
beim Kokain — , hier kann man Sore kaufen, Diebesgut; außerdem wird geklaut,
was das Zeug hält. Und die Haie hatten sich hier eingenistet, die
internationale Verbrecherorganisation, genannt „Haie-Connection“.
    Michaela bog ab in die
Rappelherz Straße und hielt dann am Bordsteinrand.
    Weiter konnte man nicht fahren.
Ab hier war gesperrt. Eine kurze Fußgängerzone begann. Die Rappelherz Straße
war schmal, besaß keine Gehsteige, wurde eingeengt von den beiden Häuserzeilen,
war gepflastert mit Steinplatten und zog am Freitag und am Samstag abend viele
Fußgänger an. Denn hier reihten sich Lokale und Bars aneinander — auch solche
mit fremdländischer Küche. Hier konnte man sudanesisch, russisch, mongolisch,
tunesisch, italienisch und chinesisch essen. Auch trinken.
    Das China-Restaurant hieß
LOTUS-GARTEN.
    Das Pärchen stieg aus. Traugott
schloß den Wagen ab. Sie gingen die wenigen Schritte zum China-Restaurant und
traten ein.
    Im Erdgeschoß ging es nicht
sehr vornehm zu. Hier zeigte sich das Lokal als Schnellimbiß für den eiligen
Gast. Die Ausstattung war allerdings total chinesisch.
    Eine breite Treppe, die von
zwei Porzellan-Drachen bewacht wurde, führte ins Obergeschoß, wo es sehr
vornehm zuging, wo „Ente Peking“ als Feinschmecker-Spezialität serviert wurde
und die Preise hoch waren. Deshalb wurde die Zeche nur selten mit Bargeld
beglichen. Die meisten Gäste zahlten mit Kreditkarte — und erlebten dann später
ihr blaues Wunder. Wenn nämlich ihr Konto geplündert wurde. Mit einem
betrügerischen Trick.
    Hier im LOTUS-GARTEN hatte die
Abteilung Deutschland der „Haie-Connection“ eine ihrer Zentralen.
    Das Pärchen ging nach hinten,
wo die Wirtschafts- und Privaträume liegen. Ein chinesischer Kellner grinste
freundlich und trug eine Schüssel mit dampfendem Reis vorbei. Es gab hier ein
Halbdutzend chinesischer Kellner, aber die gehörten nicht zu den Haien, denn
der LOTUS-GARTEN hatte einen Deutschen als Chef. Dieser Oberganove hieß Günther
Grünert, war sozusagen der Leithammel der hiesigen Haie und hatte zwei
verbrecherische Handlanger, die in seinem Kielwasser schwammen: Drako Blazen,
einen Kriminellen aus dem ehemaligen Jugoslawien; und Ling Sing Ti, der in den
USA geboren war und deshalb ein Chinesen-Deutsch sprach mit amerikanischem
Akzent.
    Eine Privattür wurde geöffnet.
Ti blickte schlitzäugig heraus, sah das Pärchen und winkte mit dem Daumen.
    Sie traten ein ins Chefbüro.
    Hier sank Traugott jedesmal das
Herz in die Hose. Und Michis milchweiße Haut wurde so hell, daß sich ein
Waschmittelhersteller nicht mehr eingekriegt hätte vor Entzücken.
    Grünert saß hinter dem
Schreibtisch, hatte den Sessel zurückgekippt und die Füße auf ein
herausgezogenes Seitenfach gelegt. Er war fett, etwa 50, hatte Totalglatze und
ein Maul wie ein Hai. Meistens trug er Anzüge mit Weste.
    Drako Blazen lehnte an der Wand
und säuberte seine Fingernägel mit einem Butterfly-Messer. Er war groß,
knochig, hatte schwarzes Haar und

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