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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Chemiefabrik anschließt.
    Somit war davon auszugehen, daß man jene Wesen, wenn schon nicht sehen, so wenigstens riechen konnte. Zumindest, wenn sie einem nahe genug waren. – Nun, wer war schon in der Lage, zu sagen, woher genau ein starker Geruch kam. Beziehungsweise, ob die Quelle, die man jeweils vermutete, auch die tatsächliche war. »Du stinkst heute wieder!« »Ich habe mich gerade gewaschen!« »Du stinkst trotzdem!« »Das sagst ausgerechnet du!«
    Wie auch immer, die Bedeutung des Inhalts dieser Schatulle wurde einem jeden, der hier im Lärchenwald stand und Dr. Ritter zuhörte, ziemlich klar. Kein Ohr auf der Welt war bedeutender als dieses. Und wie um alle bedeutenden Dinge war ein Kampf entbrannt. Ein Kampf zwischen Dr. Ritter, Romanow und Lopuchin, welche gewissermaßen den Kampf, der noch folgen sollte, den zwischen verschiedenen Konzernen und Geheimdiensten, die zukünftig in den Besitz dieses Fremdorgans zu kommen versuchen würden, vorwegnahmen. Die drei Männer hatten ursprünglich ein Team gebildet, waren so etwas wie Freunde und Weggefährten gewesen, die sich die Macht an verschiedenen Orten geteilt und fruchtbringende Geschäftsbeziehungen gepflegt hatten. Am fruchtbringendsten hätte natürlich die Veräußerung jenes Ohrs werden sollen, das von einem der einheimischen Pilzsammler im morgendlichen Tau gefunden worden war. Und damit begann natürlich das Unglück: Ein Sammler findet etwas, und der Jäger jagt es ihm ab.
    Es war Romanow gewesen – ein Mann mit einem ausgeprägten Mordinstinkt –, der den Sammler nicht nur um den ungewöhnlichen Fund gebracht, sondern ihn auch getötet hatte. Den eigentlichen Wert dieses »körperlichen Kleinods« hatte wiederum der Arzt Ritter erkannt, eben nicht nur die Fähigkeit des Objekts, sich unsichtbar zu machen, sondern auch dessen Autarkie sowie die pharmakologische Bedeutung der Absonderung. An Lopuchin war es sodann gewesen, seine Kontakte zur »zivilisierten Welt« aufzunehmen und einen geeigneten Käufer zu finden.
    Nicht erst durch diverse Schatzinselgeschichten ist bekannt, daß die Gier jegliche Vernunft eliminiert. Die Gier trägt den Menschen, sie kleidet ihn ein, ernährt ihn, beflügelt seine Phantasie, und irgendwann tötet sie ihn – wie man so sagt, sie frißt ihn auf. Sosehr Ritter, Romanow und Lopuchin anfänglich den Nutzen einer Dreiteilung nicht nur der Pflichten, sondern auch des künftigen Gewinns erkannt hatten, meinten sie nach und nach die jeweils anderen beiden ausbooten zu können. Dies entsprach zwar den Prinzipien modernen Wirtschaftens, dennoch wäre es sinnvoller gewesen, die guten Sitten walten zu lassen. Allerdings hatte diese Geschichte ja mit einem Mord begonnen, dem Mord an einem Pilzsammler, und war somit von Beginn an vergiftet gewesen.
    Lopuchin, der damals noch in Toad’s Bread gewesen war, hatte die Schatulle an sich gebracht und sie im Lärchenwald versteckt, war dann aber im Zuge einer verbotenen kriminellen Tat aus der Stadt gewiesen worden, ohne zuvor nochmals jenen Baum aufsuchen zu können, dessen Standort er allein kannte. Obgleich er in der Folge in Ochotsk an Macht und Einfluß gewann, schließlich zum »Zaren« reifte, blieb ihm die Rückkehr in die Verbrecherrepublik verwehrt. Während hingegen Dr. Ritter sich weiterhin ungehindert an diesem Ort bewegen konnte und einigen Einfluß nicht nur über die Zähne der Leute entwickelte. Aber dennoch nirgends auf die Antwort stieß, wo Lopuchin die Schatulle versteckt hatte.
    Romanow wiederum, der Jäger, zudem Besitzer einer Jagdhütte, hielt sich in den Wäldern des Dschugdschur verborgen und hatte mit Hilfe eines alten Freundes – richtig, Professor Oborin, der Mann grenzwertiger Kommunikation – eigene Kontakte nach Europa hergestellt, zu einem Bremer Konzern. Genau zu jenem pharmazeutischen Unternehmen, das alsbald Ivo Berg engagierte, sich auf den Weg nach Russisch-Fernost zu machen. Schwer zu sagen, ob die Bremer ahnten, daß die neuartige Substanz nicht von einem ominösen Lärchenzapfen, sondern einem ominösen Ohr herstammte. Denn selbst Madame Fontenelle war ja dem Irrtum erlegen, die ganzen Anstrengungen der Europäer, in diesen Bereich von Toad’s Bread vorzudringen, hingen mit dem Baum zusammen.
    Worüber die Bremer jedenfalls verfügten, war

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