Die Hand von drüben
Körperbau und die Art, wie seine Hände aus den Ärmeln der weißen Jacke hervorlugten, verstärkten diesen Eindruck noch.
«Mein Name ist Peter Fairweather», sagte Hero. »Ich bin mit Mr. Bessmer um vier Uhr verabredet.»
«O. K.», sagte der Mann. «Warten Sie im Salon. Ich sage ihm Bescheid.» Er führte Hero nicht in den Raum, sondern deutete nur mit einer Kopfbewegung darauf, schlurfte dann durch den Flur und verschwand in einer Tür hinten.
Es war das erste Mal, daß Hero einen altmodischen amerikanischen Salon betrat. Er fand ihn sehr deprimierend und mußte dabei unwillkürlich an die amerikanischen Beerdigungsinstitute und ihre Aufbahrungsräume denken. Da war der muffige Geruch von zu zwei Dritteln zugezogenen Samtvorhängen, da waren häßliche Tische und Schränke aus Mahagoni. Die Sessel waren mit vom Alter dunkel und speckig gewordenem roten Plüsch bezogen. Auf dem Marmorsims über dem vorgetäuschten Kamin standen Fotografien, und an den Wänden hingen welche von häßlichen Menschen in scheußlichen Kleidern von vorgestern. Zwei große Gummibäume machten mit ihren glänzenden dunklen Blättern den Raum noch düsterer. Auf einem Bücherregal standen ein paar gebundene Werke, aber ehe Hero nachsehen konnte, was für Titel es waren, hörte er ein Rascheln und Schnüffeln, und Arnold Bessmer stand in der Tür. Hero hatte ihn nicht kommen hören.
Der Engländer war überrascht. Er hatte sich vorgestellt, daß er eine dieser vertrauten Figuren, denen man bei spiritistischen Sitzungen in London begegnete und die kurzsichtig, sentimental und unbedeutend waren, antreffen würde. Der Mann indessen war hochgewachsen und kräftig, hatte ein starkes Kinn und bezwingende dunkle Augen. Sein blauschwarzes Haar war kurz geschnitten und stand hoch. Das erstaunliche an seinem Gesicht war der weiche und kleine Frauenmund. Als er später lächelte, sah Hero mehrere Goldzähne aufblitzen. Er hatte einen dunklen Anzug an und trug einen Schleifenbinder.
Mit ausgestreckter Hand kam er auf Hero zu und sagte: «Guten Tag, Mr. Fairweather.»
Hero war von neuem verblüfft. Seine Stimme war tief und ungewöhnlich schön wie der Baß einer Orgel. Er war Hero so zuwider wie ein Reptil. Der geschwungene Mund über dem starken Kinn war kaum zu sehen, aber die tiefe und dunkle Stimme und die magnetischen Augen hatten etwas seltsam Anziehendes. Hero war sicher, daß Frauen ihn unwiderstehlich fanden. Ebenso sicher war er, daß dieser Mann kein Dummkopf war und daß er nicht eine Sekunde in diesem Hause vergessen durfte, daß er nicht als Alexander Hero, sondern als Peter Fairweather, der seine verlorene Geliebte suchte, hergekommen war.
Die Hand, die die seine kräftig schüttelte, war kalt. «Es ist sehr freundlich von Ihnen, daß Sie mich — einen Fremden — so schnell empfangen», sagte Fairweather.
«Wir weisen nie einen Fremden von unserer Tür ab», sagte der Mann mit dröhnender Stimme. «Ein Freund von Charles Woodmanston ist auch unser Freund. Ich bin Arnold Bessmer. Sie sind in großer Not und sind hergekommen, um Hilfe zu suchen. Die Kirche des Atems Jesu und des Heiligen Ozons hat sich noch nie geweigert, einem wahren Gläubigen beizustehen.»
Die absurden und lächerlich klingenden Namen, die sonor aus dem riesigen Brustkasten herausrollten, überraschten Hero ebenfalls, denn es war das erste Mal, daß er dieser Art von Bluff begegnete, vorausgesetzt, daß es ein Bluff war, und er fragte sich, ob sie sich selbst diese Namen zugelegt hatten, ehe sie aus Kalifornien verjagt wurden. Er fragte sich auch, ob man sie ihm entgegengeschleudert hatte, sozusagen als Test, um zu sehen, ob er darüber stutzte. Es gelang ihm, in einem heiseren Flüstern noch einmal zu sagen: «Es ist sehr freundlich von Ihnen», und er versuchte dabei, ihn wieder fest anzublicken.
«Kommen Sie, setzen Sie sich», sagte Bessmer. «Wir werden sehen, was wir für Sie tun können — vorausgesetzt, daß das in unserer Macht liegt.» Die sonore Stimme klang aufrichtig. Er steuerte Hero zu einem Sessel an dem Tisch in der Mitte des Raums und setzte sich auf einen ihm gegenüber. Eine geschnitzte Zigarettendose aus chinesischer Jade stand zwischen ihnen. Sie war kostbar. Auf dem Tisch befanden sich außerdem mehrere Aschenbecher, eine dicke, in Leder gebundene Bibel, eine Lampe und die gerahmte Fotografie eines Mädchens, das wie ein Hollywoodstarlet aussah, und auf der stand: mit einer unleserlichen
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