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Die Hand von drüben

Die Hand von drüben

Titel: Die Hand von drüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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und sie bestellten Sevruga-Kaviar und Wodka. Sie paßte sich der Eleganz des Restaurants an, ließ sich von seiner Pracht umhüllen und sog seinen Geruch von Reichtum und Vornehmheit ein. Es war eine Art Eßkathedrale, aber anstatt der bunten Glasfenster sah man hier Bilder von Picasso. Die Kellner bewegten sich wie Akolythen. Jede Frau kam frisch vom Friseur, jeder Mann hatte sich vorher rasieren lassen.
    Wenn so etwas möglich war, dachte Hero, hier könnte einen der Luxus ersticken. In dem Aquamarinfeuer von Tinas Augen spiegelte sich ihr Entzücken. Sie zog sichtlich die Blicke von an anderen Tischen sitzenden Männern an.
    Der Oberkellner empfahl junges Lamm vom Grill. Ein Servierwagen mit frischem ungekochtem Gemüse, das wie zu riesigen Blumensträußen arrangiert war, wurde herangeschoben, und sie wählten mit all der freudigen Erregung von Kindern, die etwas ganz Neues sehen. Der Wein, den Hero bestellte, war ein 47er Richbourg, der Champagner ein 53 er Irroy. Während sie auf das Kommen des Kaviars warteten, tranken sie aus kleinen Gläsern den eisgekühlten polnischen Wodka.
    «Ihr Amerikaner versteht zu leben», sagte Hero.
    «Ihr Engländer auch», erwiderte Tina, und als Hero eine Braue fragend hob, ließ sie ihre Augen durch den Raum schweifen und sagte: «Für einen Abend macht das hier Spaß. Aber ich ziehe die stille Eleganz Londons vor. Ich bin immer gern nach der Vorstellung in den gegangen.»
    «Mit Bill Scarlett?» fragte Hero.
    Tina tat so, als ob sie die Anspielung in der Frage nicht bemerke, und antwortete: «Nicht immer. Ich habe viele Freunde in London.»
    «Ich hätte einer von ihnen sein können», sagte Hero. «Nur war ich leider zu der Zeit, da der große Scarlett in London engagiert war, in Norfolk, um das Gespenst im Hause jemandes, der es von seinen Vorfahren geerbt hatte, zu verjagen. Wenn ich in London gewesen wäre, hätte ich mir höchstwahrscheinlich seine Nummer angesehen und dann Sie gebeten, einmal mit mir auszugehen. Das war vor ungefähr drei Jahren, nicht wahr?»
    Tina nickte stumm, aber sie dachte: Und ich wäre mit dir ausgegangen, und wer weiß, was geschehen wäre, wenn wir beide auf die gleiche Art Feuer gefangen hätten und ich dich an mich hätte fesseln können. Und vielleicht wäre ich für immer dort geblieben und säße jetzt nicht hier verängstigt in der Patsche, wäre keine Verräterin und brauchte mir keine Sorgen dieses Mannes wegen zu machen, mit dem ich heute nacht schlafen werde.
    «Häuser von bösen Geistern befreien», murmelte sie. «Ist das Ihr Beruf?»
    «Manchmal.»
    «Und was sonst noch?»
    «Kleine häßliche Bälger fangen, die es komisch finden, Poltergeist zu spielen, und ihnen dann den Hintern versohlen.»
    Tina lächelte. «Ich dachte, Sie seien ein Zauberer.»
    «Ein reiner Amateurzauberer. Ein zweitklassiger Taschenspieler. Sie rümpfen Ihre hübsche Nase, aber ich brauche das für meinen Beruf. Erinnern Sie sich an die Zeile aus dem Lied: ? Alles, was du kannst, kann ich noch besser... Ich singe das meinen Freunden, den Medien, vor. Es gehört zu meinem Beruf, alle ihre elenden Tricks nachzuahmen.» Er merkte plötzlich, wie er selber die Zeile aus Irving Berlins Musical sang.
    «Außer einen Wachshandschuh machen», sagte Tina.
    Hero lachte. «Ach», prustete er, «daß Harry Houdini und Joe Rinn das vor Jahren geschafft haben!»
    Tina blickte ihn neugierig und mit einem dünnen, halb spöttischen Lächeln an. «Aber ohne Fingerabdrücke, wie Sie sie haben wollten.»
    Hero zuckte die Schultern. «Wahrscheinlich gibt es auch eine Möglichkeit, die herzustellen.»
    «Und wenn es sie nicht gäbe?»
    Hero sah das junge Mädchen offen und freundlich an. «Das ist eben der Unterschied zwischen Ihrer Arbeit und meiner. Sie wissen es jedesmal. Es steckt immer ein Trick dahinter. Aber ich weiß es nie.» Er ließ seine Augen auf den weißen Armen des Mädchens, dem dicken Knoten glänzenden Haars ruhen, und schließlich begegneten sich ihre Blicke.
    «Und wenn es keine Möglichkeit gibt, die Fingerabdrücke von Toten zu reproduzieren, außer durch die Toten selbst...» sagte Hero nachdenklich, «dann würden all jene, die ihre Hände an den Knöpfen von Todesmaschinen haben, es sich erst noch einmal überlegen müssen, denn sie würden wissen, daß es ein Jüngstes Gericht gibt und daß jene, die als erste von Himmel und Hölle gesprochen haben, weder Träumer noch Lügner waren. Und ich würde wissen, daß ich

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