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Die Hand von drüben

Die Hand von drüben

Titel: Die Hand von drüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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den Linien und Kennzeichen, die sie im Leben gehabt hatte. Dennoch kein einziges Mal, seit sie dort lag, vom erstenmal an, da sie sie gesehen hatte, war der Anblick ihr nahegegangen. Im Gegenteil. In dem milden Licht der Lampen des Arbeitszimmers schien sie ihr jetzt unheimlich zu glänzen, als strahle sie ihr eigenes Licht aus und etwas Böses und Gottloses zugleich. Diese Hand war ihr zutiefst verhaßt.
    Constable bemerkte den Ekel, den wie immer die Hand in ihr zu wecken schien, und wäre er weniger egoistisch gewesen, hätte er es vielleicht als den instinktiven und ehrlichen Protest einer aufrichtigen Frau gedeutet. Diesmal bezwang er die Wut, die dann immer in ihm auf stieg, und sagte fast demütig: «Jane, wenn ich dich bitte, wenn ich dich anflehe, nur dies eine Mal mitzukommen... Ich brauche es, daß du mitkommst.»
    Ihrer Intelligenz entging nicht der schnelle Wechsel der Taktik, aber ihr Gefühl sagte ihr, daß sich mehr dahinter verbarg als nur Eigensinn und das Verlangen des Mannes, seinen Willen um jeden Preis durchzusetzen. Es konnte sich dahinter eine Krise verbergen. War dies ein echter Schrei nach Hilfe von diesem sonst so herrischen Mann?
    «Ach, Sam, warum? Warum verlangst du das von mir? Sag es mir.»
    «Du würdest dann wissen, ob sie dort war!» Mit einem Stöhnen kam die Wahrheit gegen seinen Willen über seine Lippen.
    Und damit gab er sich selber preis, und die Operation Fingerhut wurde von neuem tödlich gefährdet.
    Denn Jane war nahe daran gewesen, nachzugeben. Nur wie eine Frau hatte sie diese letzte Frage gestellt, die endgültige Erklärung gefordert, ehe sie, bereit, ihn zu begleiten, die Kluft überbrückte, die sie so lange getrennt hatte. Statt dessen bestürzte seine Antwort sie und befreite Gedanken in ihrem Unterbewußtsein, ohne daß sie es selber merkte. Die Worte: «Du würdest es wissen» hallten in ihr wider. Sie wollte nichts anderes wissen als das, was sie schon wußte, was sie, wie sie ihm erklärt hatte, glaubte, und daß es ihr gelungen war, sich mit dem Unvermeidlichen abzufinden. Aber was war, wenn dort etwas geschah, wenn man dort etwas hörte, sah, fühlte, eine Geisterberührung, die die ganze qualvolle Wirklichkeit wieder lebendig machte? Ihr Glaube war ihr wichtig.
    Ihr Verstand mit seiner menschlichen Schwäche, die Wahrheit nicht gestehen zu können, machte es ihr möglich, sich zu verstellen. Wenn er noch Zweifel hatte, sollte er selber mit ihnen fertig werden. Sie konnte ihm nicht helfen. Die böse leuchtende Wachshand weckte in ihr wieder alle Abneigung und allen Ekel, die sie empfunden, als ihr Mann ihr zum erstenmal von der Séance und dem, was dort geschehen war, berichtet hatte. Es war wider die Natur. Sie konnte sich nicht überwinden, mitzukommen. «Verzeih, Sam», sagte sie. «Ich will es nicht, ich kann es nicht.»
    Constable blickte sie einen Augenblick stumm an, wenn auch nicht mehr feindselig. Sein Zorn schien sich gelegt zu haben. «Nun, gut, Jane. Laß es. Ich werde allein hingehen.»
    Bei seiner letzten Bemerkung lief es ihr kalt den Rücken hinunter, denn wenn männliches Selbstmitleid daraus gesprochen hätte, wäre es ihrem sensitiven Ohr nicht entgangen. Aber es war eine kühle, nüchterne Feststellung gewesen, und sie hatte das Gefühl, daß sich eine Tür schloß. Es war zu spät, jetzt noch einmal an sie anzuklopfen. Er würde sie nicht öffnen.
    «Geh zu Bett, Jane. Ich habe noch zu arbeiten.»
    Als sie ihm gute Nacht sagte, hatte er ihr bereits den Rücken gekehrt.
    Er wartete, bis er sie die Treppe hinaufgehen hörte. Dann ging er zu einem in der Wand eingelassenen Safe und öffnete ihn. Er nahm mehrere schwarze Notizbücher und mehrere zusammengefaltete Blaupausen heraus. Diese schob er in einen kleinen rechteckigen ledernen Dokumentenkoffer. Er wühlte in einem Fach seines Schreibtischs und entnahm ihm noch einige andere Dokumente. Dann ging er wieder an den Safe, griff tief hinein und holte einen kleinen Gegenstand aus Glas und Metall, der etwa die Größe eines Eis hatte, heraus. Er betrachtete ihn mit einem seltsamen Lächeln, ehe er ihn zu den anderen Dingen in den Koffer legte.
    Er schloß ihn. Der Koffer war für den Safe zu groß, und so blickte er sich in dem Zimmer nach einer Stelle um, wo er ihn verstecken konnte. An der entgegengesetzten Seite stand ein Schrank. Er ging zu ihm, und fast wie ein Kind versteckte er den Koffer darin hinter Kästen und den Falten eines Mantels. Auf dem Wege zur Tür blieb er einen Augenblick

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