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Die Hand von drüben

Die Hand von drüben

Titel: Die Hand von drüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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mir keine Sorgen zu machen brauchte, Sie zu verlieren, denn ich würde gewiß sein, Sie im Paradies wiederzufinden.»
    Tina dachte: Du aalglatter verlogener Schuft. Du willst nur das, was ich auch will, und wenn du es gehabt hast, wird es dir gleich sein, ob ich lebe oder tot bin, ob ich im Paradies bin oder in der Hölle. Aber wer weiß, was ich empfinden werde, und wenn du wüßtest, was ich weiß, Peter Fairweather, würdest du nicht so selbstsicher hier sitzen. Um sich ihre Gedanken nicht anmerken zu lassen, nahm sie ihre Zuflucht zum Spott: «Und dafür zahlen die Leute Geld?» fragte sie.
    Hero ging auf ihren Ton ein: «Ein blühendes Geschäft», sagte er. «Geister lieben es, Vermögenswerte einzutreiben, oder wenn jemandes reiche alte Tante von einem Medium mit Schnurrbart und übelriechendem Atem gemolken wird, engagieren mich die besorgten Erben, um Tantchen aus seinen Klauen zu befreien.»
    Tina lächelte. «Sind Sie deswegen jetzt hier?» fragte sie.
    «Du lieber Himmel, nein! Ich glaube nicht, daß jemand hier von solchem Unsinn geplagt werden könnte. Wir sind in diesen Dingen noch ein wenig rückständig. Ich bin zur Erholung hergekommen. Manchmal ist meine Arbeit recht anstrengend.» Er schob die Manschette von seinem rechten Handgelenk zurück, und man sah darauf die noch rotblauen Narben, die ein Draht bei einem Zusammenstoß mit einem Scharlatan, der ihn fast seine Hand gekostet, in sein Fleisch geschnitten hatte. Tina betrachtete die Narben einen Augenblick, ehe sie seine Hand ergriff und ihre Lippen impulsiv, aber sanft auf sie drückte, und in ihren schönen Augen spiegelten sich plötzlich eine Frage und Mitgefühl. Aber sie dachte: Lügner! Lügner! Lügner! Du bist Constables und der Bessmers und Vaters und meinetwegen hier. Aber ich bin verliebt, und ich werde dich besitzen, und danach kann Mr. Kelly sich damit befassen.
    Die Berührung ihrer Lippen ließ Hero leicht erschauern. Einen kurzen Augenblick dachte er an den Judaskuß, aber andere weniger biblische Gedanken gewannen die Oberhand.
    Der Kaviar kam. Große graue, exquisit auf einem Eisblock, der einen Stör darstellte, angerichtete Perlen. Der Kellner tat ihnen mit einem Löffel auf.
    Hero sagte leichthin: «Das bringt den Russen wohl Devisen ein.»
    «Seien Sie nicht töricht», sagte Tina Cryder. «Warum es sich verderben?»
    Und später fragte Hero: «Und Sie? Wo sind Sie sonst noch gewesen?»
    «Ach, wohl überall», antwortete Tina. «In Stockholm, Rom, Athen, Kairo, Istanbul. Und auch in Südamerika. Karl Böhmer nahm mich überallhin mit, solange er engagiert wurde. Dann plötzlich schien es die Leute nicht mehr zu interessieren, die verschwindende Dame zu sehen.» Tina spürte, daß Hero sie abschätzend anblickte, und fügte hinzu: «Ich war damals noch sehr jung. Und außerdem war ich als Schlangendame ausgebildet.»
    «Als Schlangendame?»
    Wieder begegneten sich ihre Blicke und konnten sich nicht voneinander lösen. Jeder las die Gedanken des anderen, so daß beide plötzlich in Lachen ausbrachen, das jetzt zum erstenmal vertraulich klang. Sie waren näher aneinander gerückt, und als sie genießerisch in den mit Kaviar bestrichenen Toast bissen, verzogen sich ihre Lippen immer noch zu einem Lächeln.
    Gerichte wurden serviert und wieder abgeräumt. Sie aßen und sprachen von den Ländern und Orten, die sie beide kannten, während die Weine sie wärmten. Hero hätte sie gern noch einmal nach der Hand gefragt, wagte es aber nicht. Sein Instinkt sagte ihm, daß sie darauf wartete. Aber sie umschiffte geschickt das Thema, und er vermochte nichts dagegen. Er erfuhr nur, oder vielmehr wurde ihm bestätigt, was schon allzu offenkundig war: von dem Zusammenbruch der Zauberfirma Cryder und daß die Tochter arbeitslos war, weil die altmodischen Zauberer nicht mehr gefragt waren.
    Tina Cryder versuchte nicht, ihm etwas über ihre Theaterkarriere vorzumachen. Etwas zwang sie, die Wahrheit zu sagen, daß sie es mit der Bühne versucht und dabei Schiffbruch erlitten hatte. Und dieses Geständnis rührte Heros Herz, das vielleicht dafür geschaffen war, wenn er auch im Augenblick nicht darüber nachdachte, oder es machte ihm klar, daß bei manchen Frauen das Sexuelle mit einem echten Gefühl verbunden sein muß.
    Als sie auf die Park Avenue hinaustraten, war es schon Mitternacht. Die Avenue war noch ein schnell dahinfließender Strom von Licht, Autos und Taxis, aber die Luft war kühl und frisch, und durch die von den hohen Gebäuden

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