Die Hand von drüben
vor dem Glaskasten stehen und trommelte mit den Fingern darauf. Dann machte er das Licht aus und ging die Treppe hinauf.
Zwölftes Kapitel
Es war ein schlechter Beginn. Schon auf seinem Wege zu Tina Cry-der, um sie abzuholen, erlebte Hero im voraus den erregenden Genuß. Er war im Taxi gefahren, um gleich eins zur Verfügung zu haben, das sie in die Stadt zurückbrachte. Und als das Vehikel die Autohochstraße hinunterraste, wurde ihm bewußt, daß er nicht so kühl objektiv und für den Abend vorbereitet war, wie er es hätte sein müssen. Er wußte nur allzu gut, wie leicht es war, ganze Reihen falscher Hypothesen auf einem Fehlurteil aufzubauen. Es war vielleicht seine eigene Begierde oder männliche Eitelkeit gewesen, die ihn hatte vermuten lassen, daß Tina Cryder an ihm ebenso interessiert sei wie er an ihr. Seine Überzeugung, daß Paul Cryder etwas von der Wachshand wußte, das er nicht verraten wollte, beruhte nur auf seiner Beobachtung von Cryders Verhalten, als er zum erstenmal danach fragte. Nicht ein Partikel davon konnte als Beweis dienen. Er wußte, daß ein Mann mit Zahnschmerzen oder häuslichen Sorgen oder jemand, der gerade einen Schock oder eine Enttäuschung erlebt hat, ganz anders reagiert, als er es sonst tut. Wunschdenken war für einen Rechercheur der gefährlichste Katalysator. Weil er wollte, daß Cryder das Geheimnis der Hand besaß, konnten alle Reaktionen des Mannes, sein Zögern, seine Wiederholungen Heros Urteil gefärbt haben. Cryder wußte vielleicht ebensowenig wie alle anderen davon.
Wenn es auch so gewirkt hatte, als ob Vater und Tochter sich darin eins gewesen seien, daß sie sich mit Hero verabredete, so war doch nichts eigentlich geschehen, das sich nicht durch die übliche Gastfreundlichkeit einem Besucher gegenüber, der mit einer Empfehlung von einem Geschäftskollegen aus England kam, rechtfertigen ließ.
Mit solchen Überlegungen und Zweifeln versuchte Hero, wieder zu einem nüchternen Urteil zu gelangen. Dennoch, als das Taxi durch die vergleichsweise flache Gegend zwischen dem Bankenviertel und dem Stadtzentrum fuhr und die riesigen Bergketten der Wolkenkratzer des unteren Manhattan vor ihm aufragten, ließ sich eine seltsame jubelnde Erregung in seinem Inneren nicht unterdrücken. Er fragte sich, was Tina anhaben würde.
Als sein Taxi von der Hochstraße herunterfuhr und sich durch das Labyrinth der Einbahnstraßen den Weg zu seinem Fahrtziel bahnte, war Hero alles andere als gelassen. Was auch immer an dem Abend geschehen würde, er würde die Ohren offenhalten müssen und durfte seine Kaltblütigkeit nicht verlieren.
Das New Yorker Bankenviertel war nach Einbruch der Dunkelheit so tot wie die Londoner City. Auf der Straße am Fluß rumpelten Lastwagen entlang, aber hier, dicht am Broadway, waren alle Straßen verlassen und die Fenster dunkel. Nur in einigen Läden brannten auf Grund der Polizeivorschriften trübe Lampen. Auf diesem Ende des Broadway bewegten sich einige Fußgänger und ein dünner Verkehrsstrom, aber auf den Gehsteigen in der Cedar Street war um neun Uhr an einem Samstagabend keine Menschenseele zu sehen.
Als das Taxi vor Nummer 43 a vorfuhr, sah Hero, daß die schmuddelige Ladenfront dunkel war, bis auf eine einzige Birne, die die kahle Theke beleuchtete, aber hinter den Vorhängen des Zimmers darüber brannte eine Lampe.
Dreizehntes Kapitel
Nachdem er dem Fahrer gesagt hatte, er solle warten, stieg Hero aus und überlegte, wie er zu dieser Abendstunde in die Wohnung gelangen würde. Dann entdeckte er, daß man die Ladentür für ihn offengelassen hatte.
Er ging hinein, wobei die scheppernde Glocke sein Kommen ankündigte, durchquerte den Laden bis zu dem durch den Vorhang abgetrennten Teil, und als er ihn zur Seite schob, sah er Licht auf der Treppe brennen, die in den oberen Stock hinaufführte, und hörte Tinas Stimme rufen: «Kommen Sie doch bitte herauf. Ich bin gleich fertig.»
Hero ging die Treppe zu dem Salon in dem alten Hause hinauf. Von Paul Cryder war nichts zu sehen, und es war auch nicht zu erkennen, ob er aus war oder nicht. Die Tür zu seinem Schlafzimmer war geschlossen, aber die in Tina Cryders Schlafzimmer führende stand einen Spalt breit offen, und hinter ihr konnte er in einem Spiegel sie sich im Wechsel von Licht und Schatten bewegen sehen. Sie sagte kein Wort, und während er voll Ungeduld wartete, kehrte seine Erregung wieder.
Und dann öffnete sie die Tür weiter und blieb in ihr stehen, mit einem seltsam
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