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Die Hand von drüben

Die Hand von drüben

Titel: Die Hand von drüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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fehlt, und komme dann gleich zu Ihnen zurück.»
    Hero fragte sich, was los sei. Dem Mann war ganz und gar nicht wohl zumute. Und nicht nur Heros Besuchs wegen. Der Grund für seine Nervosität lag tiefer, und er hatte wahrscheinlich deswegen getrunken, oder aber — Hero mußte bei dem Gedanken lächeln — er hatte ihn und Mutter bei ihrem Sonntagnachmittagssaufgelage gestört.
    Er setzte sich in einen der schweren Ledersessel, während Bessmers Schritte im Flur verhallten, hörte ihn dann in das Vorderzimmer gehen, worauf ein leises Stimmengemurmel vernehmbar wurde, das nur einmal lauter klang, als Mutter, wie Hero glaubte, eine ärgerliche Bemerkung machte. Hero rührte sich nicht von dem Sessel. Doch als Bessmer zurückkam, hatte er den Raum genau gemustert und war fast sicher, wo sich der Eingang und Ausgang des Kabinetts befanden.
    An die Decke war eine rechteckige Stahlschiene geschraubt. Nirgends sah man etwas, das auf eine Falltür hinwies, wie Sprünge oder Risse im Gips oder Flecken. Dort, wo sich sonst das Kabinett befand, war hinten ein Fenster, das auf einen typischen New Yorker Hintergarten ging, der von Zäunen durchschnitten war und in dem eine oder zwei Akazien standen und sich viele Katzen tummelten. Etwas so Primitives wie durch ein Fenster zu klettern, würde man nicht versuchen. Der Bücherschrank mit den vielen Türen war verdächtig, und Hero hatte welche gekannt, in deren Hinterwand sich eine Tür befand, durch die man aus dem angrenzenden Raum hereingelangen konnte, aber dieser stand dafür zu weit von dem Kabinett entfernt, und es war wahrscheinlich sein Zweck, gerade dadurch zu beweisen, daß es bei der Séance mit rechten Dingen zuging. Es blieb noch der Fußboden. Dort, wo das Kabinett gewesen war, lagen mehrere kleine Brücken, während der übrigen Raum mit großen roten Orientteppichen ausgelegt war. Nur an einigen Stellen war der Boden unbedeckt; es war Parkett, und das war des Rätsels Lösung. Eine der Brücken wurde zur Seite geschoben, die Falltür geöffnet, die kleine Gestalt eines Mädchens, das einmal eine Schlangendame gewesen war, schoß wie der Blitz daraus hervor, und später, wenn jemand so neugierig sein sollte, unter die Brücke zu blicken, würde er nur die Parkettdielen sehen.
    Bessmer betrat den Raum. Er schien sich inzwischen gefaßt zu haben und hatte die Zügel wieder fest in der Hand, wenn auch seine Augen immer noch von dem Whisky glänzten, den er zu sich genommen hatte.
    «Nun, Fairweather, womit können wir Ihnen dienen?»
    Hero mußte sich wieder in Peter Fairweather verwandeln und bemühte sich krampfhaft, sich an dessen typische Züge zu erinnern.
    «Ich habe einen Freund», begann er.
    «Jeder Freund von Ihnen ist auch ein Freund von uns.»
    «Ich möchte Sie um die Erlaubnis bitten, ihn zu der Séance morgen abend mitbringen zu dürfen.»
    Zu Heros Überraschung blickte Bessmer ihn nicht so scharf an, wie er erwartet hatte, sondern statt dessen geradezu huldvoll. «Ist er einer von uns? Hat er einen geliebten Menschen verloren? Ist er gläubig? Was sucht er an der Quelle des Heiligen Ozons?»
    Trotz Bessmers ungewöhnlicher Liebenswürdigkeit waren dies die Hauptfragen — wer und warum? Hero hatte die Wahl zwischen einer Anzahl von Karten, die er ausspielen konnte, und entschied sich impulsiv für den Joker.
    «Nein», antwortete er. «Um die Wahrheit zu sagen, er ist ein Anwalt, den ich seit einigen Jahren kenne. Er kommt oft nach England. Gestern abend hat er mich unerträglich gereizt. Ich hatte die Gelegenheit, ihm von dem Außergewöhnlichen, das ich durch Ihre Großzügigkeit erlebt hatte, zu berichten. Er hat mich ausgelacht.»
    «Man hat ja auch Jesus verhöhnt», sagte Bessmer mit Grabesstimme.
    Hero merkte, daß er auf der richtigen Fährte war, und sagte: «Ich würde viel darum geben...» Er zögerte. «Nun, eine ganze Menge, um ihn zu bekehren.» Einen Augenblick funkelten Bessmers von Alkohol glänzende Augen gierig auf, und sein kleiner Mund gab einen schnalzenden Ton von sich. «Als Spende für die Kirche», schloß Hero.
    «Ihr Freund wird in unserem Kreis willkommen sein», sagte Bessmer.
    «Ich danke Ihnen», erwiderte Hero. «Ich werde das zu schätzen wissen.» Und dann fügte er hinzu: «Übrigens, er ist Jude. Macht Ihnen das etwas aus?»
    Salbungsvoll sagte Bessmer: «Jesus war auch ein Jude. Die Kirche seines Atems, des Heiligen Ozons, gehört keiner Sekte an und schließt niemanden seiner Rasse, seines Glaubens oder seiner

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