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Die Hand von drüben

Die Hand von drüben

Titel: Die Hand von drüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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bedeuteten. Denn während er sprach, hatte die ruhige, nüchterne Stimme Mr. O’Briens geklungen wie die jemandes, der Anweisungen für den Gebrauch einer neuen Art Büchsenöffner oder eines anderen Haushaltsgeräts gibt. Es war, als brenne der Gegenstand in ihrer Hand, und sie hatte einen Augenblick eine Todesangst bei dem Gedanken, daß die Nadel den Kork durchdringen könnte. «Was ist es?» rief sie. «Es wird ihn doch nicht töten?»
    Aus dem Dunkel dahinter fragte Mr. O’Brien ungerührt: «Nun, und wenn es das tut?»
    «Dann würde ich es nicht tun», rief Tina. «Ach, mein Gott, nehmen Sie es wieder. Ich will es nicht berühren.» Sie zitterte vor Angst am ganzen Leibe, und als befürchte er, sie könne weglaufen, ergriff der neben ihr sitzende Kelly ihren Arm und hielt ihn fest. Aber Mr. O’Brien blieb ruhig und sachlich. «Ich fürchte», sagte er, «es bleibt Ihnen keine Wahl. Sie sind ein intelligentes Mädchen, und darum ist Ihre Arbeit für uns befriedigend gewesen. Ich brauche Sie wohl nicht auf die Folgen des Ungehorsams aufmerksam zu machen.»
    Tina Cryder hatte das Gefühl, in einem dunklen Schacht des Entsetzens zu versinken, und sie fragte sich, ob sie ohnmächtig würde. Aber trotzdem nahm sie die ruhige, unbarmherzige Stimme wahr.
    «Sie brauchen sich dennoch keine Sorgen zu machen. Es wird ihm dadurch nur übel werden, und er wird das Bewußtsein verlieren. Die Bessmers werden ihn dann natürlich in ein anderes Zimmer bringen, damit er sich wieder erholt, und darauf werden wir unsere eigenen Arrangements treffen. Für Sie wird die Sache nicht gefährlich werden, es sei denn, daß Sie nicht gehorchen. Denn das werden wir natürlich erfahren.»
    «Ach, mein Gott», sagte Tina Cryder von neuem. «Schwören Sie, daß er dabei nicht umkommen wird?»
    «Der Schwur erübrigt sich. Ich habe es Ihnen gesagt, und das genügt. Stecken Sie den Ring in Ihre Handtasche und wiederholen Sie bitte die Instruktionen, die ich Ihnen gegeben habe.»
    Tina war es, als stehe sie unter einem Zwang, sei halb hypnotisiert. Sie ließ den Ring in ihre Handtasche fallen und versuchte, die Anweisungen zu wiederholen. Mr. O’Brien sagte es ihr immer wieder vor, bis er zufrieden war. Dann schloß er: «Sie werden jetzt hier sitzen bleiben, bis Mike kommt und Ihnen sagt, daß Sie gehen können.»
    Tina hörte hinter sich schwere, kratzende Schritte, die verrieten, daß Mr. O’Brien ging. Kelly ließ ihren Arm los, den er umklammert hatte, seit er geglaubt, sie könne weglaufen. «Sie tun besser, was er Ihnen gesagt hat, Schwester. Sonst nämlich... Wenn ich Sie wäre, würde ich keine dummen Geschichten machen.»
    Er kletterte von dem Bock des Lieferwagens herunter und verschwand in Richtung Büro, während das Mädchen ganz allein im Halbdunkel des Stalls sitzen blieb, wo nur das Stampfen und Kauen der Pferde zu hören war.
    Ihr war eiskalt vor Angst. Was ihr als eine todsichere Sache erschienen und in das sie mit offenen Augen hineingegangen war, des Geldes wegen, das man ihr geboten hatte und von dem sie geglaubt hatte annehmen zu können, daß es keine schlimmen Auswirkungen haben würde, hatte sich plötzlich zu etwas entwickelt, bei dem es um Tod oder Leben ging. Sie hatte keine Möglichkeit, sich zu vergewissern, ob O’Brien ihr die Wahrheit darüber gesagt hatte, ob die in dem Ring enthaltene Dosis, die sie Hero einspritzen sollte, tödlich war oder ihn nur bewußtlos machte.
    Wenn das erste zutraf, wäre sie eine Mörderin. Kaltblütig hätte sie dann den Mann getötet, in dessen Armen sie sich in der Nacht zuvor ergötzt hatte. Und wenn das zweite zutraf — der zeitweilige Verlust des Bewußtseins, während O’Brien und seine Leute ihn fortschleppten? Sie dachte an den Mann immer als O’Brien, denn das beruhigte ihr Gewissen. Sie hatte schließlich, sagte sie sich, nicht mehr getan als das, was sie schon immer für die Bessmers getan hatte, hatte sich dafür bezahlen lassen, daß sie in verschiedenen Verkleidungen in Seancen «materialisierte», um eine Schar Hornochsen zu täuschen. Es war im Grunde nicht schlimmer, sagte sie sich auch, als das, was sie auf der Bühne getan, wo sie bei Illusionen für Leute assistiert hatte, die an der Kasse dafür bezahlt hatten, daß man sie an der Nase herumführte.
    Und was den Engländer und das, was ihm geschehen würde, nachdem er ohnmächtig geworden war, betraf, so würde er das Risiko auf sich nehmen müssen. Das war nun einmal sein Beruf. Warum schnüffelte er

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