Die Hand von drüben
verloren habe, noch schauerlicher und düsterer machte.
«Ich weiß, wo Mary ist», sagte Klein-Devi. «Aber sie ist zu weit weg. Sie kann nicht kommen. Sie weint.»
Bessmers plötzliches Zusammenzucken und das Knarren des Stuhls sagten Wiener, daß Constable sich erhoben hatte. Er brüllte in das Dunkel: «Hinaus mit dir, du Dummkopf! Mrs. Bessmer, holen Sie Mary. Sie haben die Kraft. Bringen Sie sie her.»
Saul Wiener war es, als könne er es nicht mehr ertragen, daß sich ein Mensch so schäm- und würdelos bloßstellte — Samuel Haie Constable, der die abscheuliche Frau anflehte, einen Geist zu holen.
Die Trommel dröhnte, die Glöckchen klingelten. «Vielleicht eines Tages», sang Klein-Devi. «Vielleicht nie. Auf Wiedersehn, auf Wiedersehn.»
Etwas Weißes und Leuchtendes erschien für einen Augenblick dort, wo das Kabinett war, und winkte. Die Stimme des Großen Häuptlings Gewitterwolke ließ sich von neuem flüsternd vernehmen, aber was er sagte, war nicht zu verstehen. Ein neuer Höllenspektakel setzte ein, wurde dann aber leiser und verstummte schließlich ganz, als ob die Gesellschaft der Gespenster sich mit Sack und Pack wieder auf- und davonmachte. Mrs. Bessmer begann von neuem zu röcheln und zu stöhnen, und ihr Mann schrie: «Licht, Pratt. Die Seance ist beendet. Mutter leidet.»
Das grelle Licht der elektrischen Birnen des Kronleuchters tat allen Augen weh und blendete Wiener. Aber er konnte trotzdem noch, während das aus schwarzen Vorhängen bestehende Kabinett zu Boden sank, Mutter Bessmer sehen, wie sie mit purpurrotem Gesicht sich verzweifelt von ihren Fesseln zu befreien versuchte. Er blickte schnell zu seiner Rechten, sah, daß Alexander Hero noch dasaß und die Hände seiner Nachbarn hielt. Sein Kopf war auf die Brust gesunken, und seine Augen starrten ins Leere wie die jemandes, der mit seinen Gedanken ganz woanders ist.
Sechzehntes Kapitel
Sie entkamen dem garstigen Imbiß nach der Séance schneller, als sie erwartet hatten. Dieses gesellige Beisammensein dauerte diesmal viel kürzer als das erste Mal. Man betrachtete es als eine lästige Pflicht, der man sich ohne Begeisterung oder Leidenschaft entledigte. Mrs. Bessmer schützte Müdigkeit vor und verschwand, und man merkte nur allzu deutlich, daß ihr Mann froh sein würde, wenn die anderen auch bald gingen, wenn auch nicht, ehe er ein Wort mit Wiener und Hero-Fairweather gesprochen hatte. Zu dem ersten sagte er: «Ich hoffe, Sie sind zufrieden, Mr. Roth. Ich habe die Sprache, die gesprochen wurde, nicht verstanden. Hat jemand in Ihrer Familie Indianerblut?»
«Vielleicht», erwiderte Wiener kurz.
Bessmer wandte sich an den anderen: «Sie haben mich enttäuscht, Freund Fairweather. Wir haben es nicht gern, wenn Mutter ihre Kraft für nichts verschwendet. Soll das heißen, daß wir Sie während Ihres Aufenthalts in New York oder» — er machte eine bedeutungsvolle Pause — «woanders nie wiedersehen werden?»
Wiener glaubte jetzt den Grund für Bessmers Erregung zu verstehen, als Hero sich weigerte, das Kabinett zu betreten, und sich tatsächlich von seiner Geliebten verabschiedet hatte. Er verlor mit ihm jemanden, der sich prächtig ausnehmen ließ.
«Nein, nein, nein», erwiderte Fairweather. «Ich kann es nur im Augenblick noch nicht sagen. Ich werde mein Versprechen aber nicht vergessen. Ich habe mich wahrscheinlich recht blamiert. Ich war sehr erregt.»
Bessmer wandte sich ab. Ihm war nicht so wohl zumute wie sonst, und er wußte nicht viel zu sagen, als die Gesellschaft aufbrach und ging, wobei Wiener und Fairweather die ersten waren, die den Salon verließen.
Die beiden Männer gingen langsam in östlicher Richtung zum Central Park-West und winkten dort ein Taxi herbei.
«Ich glaube, es wäre vielleicht das beste, wir tränken etwas», sagte Hero.
«Da haben Sie recht», erwiderte Wiener und sagte zu dem Chauffeur: »Zu .»
Der Mann nickte und raste mit ihnen davon, virtuos sich noch das grüne Licht zunutze machend.
In dem Fenster von Lindy’s Restaurant an der Ecke Broadway und 51. Street sah man geräucherten Schinken, Würste und jede Art deutscher Delikatessen. Drinnen ging es sehr laut zu. Der große Raum war in kleine Nischen geteilt. Die Kellner trugen schwarze Jacke, weiße Schürze, und ihre Hemdbrust war gestärkt. Es roch nach Bier, Zwiebeln, Leberwurst und Sauerkraut. Hero lächelte, daß Wiener gerade dies Lokal gewählt hatte, mußte sich aber zugeben, daß es klug war. In einer der
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