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Die Hand von drüben

Die Hand von drüben

Titel: Die Hand von drüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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oben rot gedruckt war: «Vergessen Sie nicht!»
    Nachdem Wiener es gelesen hatte, sagte er ungläubig: «Sie haben das bekommen?»
    «Es ist mir im Dunkeln übergeben worden», antwortete Hero. «Es wurde in meine Brusttasche geschoben...»
    «Haben Sie gesehen...?»
    «Nein. Es war keine Möglichkeit, die Hände loszulassen. Es ging sehr schnell, und wenn ich etwas hätte sehen können, hätte ich wahrscheinlich nur eine schwarzvermummte Gestalt gesehen, denn das ist die vernünftige Methode, sich in einem Seanceraum zu bewegen, wenn man glaubt, man könnte erkannt werden, und nicht erkannt werden will.»
    Wiener beugte sich über den Zettel und las ihn noch einmal sorgfältig, und ebenso wie Hero war er darauf bedacht, ihn nicht zu berühren, um die Fingerabdrücke, die darauf sein konnten, zu erhalten. Dann blickte der FBI-Mann zu Hero auf und sagte mit einer Stimme, die seltsam tonlos klang: «Und das hat Sie davon zurückgehalten, in das Kabinett zu gehen?»
    Hero spürte die schneidende Verachtung, die sich in dieser Feststellung verbarg, aber er beherrschte sich. Für einen Mann von Wieners Beruf und eisigem Temperament wäre die Warnung eine Herausforderung gewesen. Er fand, es war das beste, Wieners Bemerkung sich etwas abkühlen zu lassen, ehe er antwortete, und so zog er eine Pfeife und einen Tabakbeutel heraus, stopfte sie, steckte sie an und goß sich einen kräftigen Schluck Bourbon in die Kehle, nachdem er ein paarmal an der Pfeife gesogen hatte, und sagte dann: «Lassen Sie sich nicht von meinem Namen irreführen, Wiener. Ich bin nicht besonders mutig, und ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich kein Polizeibeamter bin. Ich bin Rechercheur. Lebend hoffe ich Ihnen helfen zu können. Wenn ich eine Leiche wäre, würde Ihnen das wenig nützen.»
    Wiener war einen Augenblick zerknirscht, aber er war noch nicht bereit, das Hero merken zu lassen. Heros Kriegsakte gehörte zu dem Dossier, das er über den Engländer angefordert hatte, bevor er in Dr. Fergusons Vorschlag, ihn kommen zu lassen, eingewilligt hatte, und er war sicher, daß die Briten nicht die Gewohnheit hatten, einen Offizier für Nichttapferkeit auszuzeichnen. Obwohl er in das heftige Gewehrfeuer einer Kidnapperbande im Mittleren Westen marschiert war, wußte er, daß er sich in der Séance nicht für eine Million Dollar von seinem Stuhl erhoben hätte und in das dunkle Kabinett gegangen wäre.
    Hero hatte ein paar Sekunden — buchstäblich Sekunden — des Zweifels und der Unentschlossenheit erlebt, denn die Zeit, die ihm geblieben war, um seine Entscheidung zu treffen, war praktisch null gewesen, und es mußte während des kurzen Wortwechsels mit der verführerischen Stimme, die ihn hinter den Vorhang rief, geschehen.
    Der Zettel war ihm schnell und geschickt zugespielt worden. Er hatte gespürt, wie sich hinter ihm etwas bewegte. Jemand hatte über seine Schulter gegriffen, denn die empfindliche Haut seines Ohrs hatte die Nähe eines anderen Körpers wahrgenommen. Dann hatte er gemerkt, wie etwas in die Brusttasche seiner Jacke geschoben wurde, und das leise Knistern von Papier gehört. Dies war ganz zu Anfang der Séance geschehen, noch vor der für Wiener arrangierten Manifestation.
    Da er es nicht hatte riskieren wollen, die Kette zu brechen, hatte Hero beschlossen zu warten, denn er brauchte beide Hände, um die Botschaft zu lesen. Als er aufgestanden und auf dem Wege in das Kabinett war, hatte er den Zettel durch das kleine Spezialinstrument, das er in der Handfläche verborgen hielt, betrachtet.
    Wie er es erwartet hatte, war die Umgebung des Kabinetts in infrarote Strahlen getaucht, und er konnte in dem schwachen rötlichen Licht die Botschaft entziffern: «Gehen Sie heute abend nicht in das Kabinett. Ganz gleich, was geschieht, gehen Sie nicht hinein. Ihr Leben ist in Gefahr. Um Gottes willen, beherzigen Sie diese Warnung!»
    Es gab zwei Möglichkeiten. Entweder war die Botschaft ernst gemeint und dazu bestimmt, ihn vor einer wirklichen und großen Gefahr, die ihm in dem Kabinett drohte, zu bewahren, oder es bestand überhaupt keine Gefahr, und man wollte ihn nur daran hindern, seinen Plan auszuführen, das Gesicht Ruth Lesleys genau zu mustern und wenn möglich, wie er es erwartete, sie als Tina Cryder zu identifizieren.
    Wer hatte ihm den Zettel zugesteckt? Tina Cryder? Jemand Unbekanntes? Hätte Tina nicht geschrieben: «Komm heute abend nicht in das Kabinett», wenn sie es war, die ihn warnte? Der Zettel klang wie Botschaften,

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