Die Hand
aber Sergeant Robson ritt der Schalk, als er Mark Peabodys Gesicht sah, das einen nahezu ehrfurchtsvollen Ausdruck angenommen hatte. Dabei hätte der nur die Karten genauer ansehen müssen, um Jim Robsons „Zauberei“ zu entlarven. Der ganze Stoß bestand nämlich ausschließlich aus Pik-Sieben. Der Sergeant amüsierte sich diebisch.
Robson wußte, er hatte in dem Wirt etwas entfacht, das es ihm erheblich leichter machte, seinem Gegenüber nun die Würmer aus der Nase zu ziehen. „Wüßten Sie nicht ein paar Kunden für mich?“ begann der Sergeant dem Wirt auf den Zahn zu fühlen.
Mark Peabody legte die Stirn in Falten. Das Nachdenken bereitete ihm sichtlich Mühe. Er schüttelte den massigen Schädel. „Ich fürchte, da kann ich Ihnen nicht helfen.“ Ehrliches Bedauern klang in Mark Peabodys Stimme durch.
„Aber in Ihrem Hinterzimmer wird doch öfters gepokert“, bohrte der Sergeant nach. „Wie gesagt, das habe ich von einem Freund gehört.“
„Da hat Ihnen Ihr Freund etwas Falsches mitgeteilt. Das Zimmer benütze ich hauptsächlich als Abstellraum, wenn es nicht vom Vorstand des hiesigen Kricket-Clubs für seine monatlichen Versammlungen gebraucht wird.“
Mark Peabody musterte den Sergeant halb ängstlich, halb gespannt, als dessen Augen wieder diesen komischen Ausdruck annahmen, mit dem er durch ihn hindurchschaute. Langsam, jedes Wort betonend, verkündete Jim Robson: „Es war am 21. Mai. Kurz nach 20 Uhr. Fünf Männer spielten Poker. Hier, in diesem Hinterzimmer...“
Mark Peabody wunderte sich über gar nichts mehr. Dieses Männchen hatte eben übernatürlich Kräfte. Damit mußte man sich abfinden. Hoffentlich kam er nicht darauf, daß der Wirt hier von Zeit zu Zeit seinen Gästen geschmuggelten Whisky ausschenkte, den Peabody durch seine immer noch guten Verbindungen zu einigen Seeleuten bekam.
„Ja, das mag tatsächlich stimmen“, versicherte er eifrig. „Es ist einige Monate her. Aber das war eine Ausnahme. Das Zimmer war bestellt...“
„Wer waren die Männer?“ Sergeant Jim Robson war jetzt ganz Ohr.
„Keine Ahnung. Die waren alle nur diesen Abend hier. Nur einer von ihnen blieb bis zum nächsten Morgen. Ein gewisser.
Mark Peabody faltete wieder seine Stirn. Der Name fiel ihm nicht ein. Er griff unter den Tresen und holte das in braunes Leder gebundene Gästebuch hervor und blätterte die Seiten zurück.
Sergeant Robson wartete ungeduldig. Vielleicht kam er jetzt auf eine heiße Spur. Mark Peabody enttäuschte seine Erwartungen aber sofort, als er einen Finger auf eine Zeile legte und meldete: „Hier steht’s. Ein gewisser John Smith, aus London, keine Berufsangabe.“
Jim Robsons Hoffnungen sanken jäh auf den Nullpunkt. „John Smith, wie sinnig“, dachte er grimmig und wandte sich wieder an den Wirt. „Ich kenne eine Menge John Smiths. Wie hat er denn ausgesehen?“
Mark Peabody zuckte mit den Achseln. „Ich habe den Mann gar nicht genau gesehen. An dem Abend hatte ich hier einige Gäste zum Essen zu bedienen. Und am anderen Morgen war dieser Mister Smith schon abgereist, bevor ich herunterkam. Das Zimmer hatte er im voraus bezahlt. Ich weiß nur, daß er groß und kräftig war, vielleicht fünfundvierzig, und er trug einen schwarzen Vollbart. Die anderen habe ich praktisch überhaupt nicht gesehen. Da müßten Sie schon mit Ron reden, dem Sohn der Witwe Dullinger, die den Gemischtwarenhandel zwei Straßen weiter führt. Ron hilft manchmal bei mir aus und hat damals die Pokerspieler bedient.“
Jim Robson winkte mit einer Handbewegung ab: „Ach, so wichtig ist es mir nun auch wieder nicht. Ich sehe schon, hier ist nicht viel Geld zu holen für mich. Ich denke, ich werde morgen wieder abreisen. Jetzt gehe ich erst einmal kurz auf mein Zimmer und vertrete mir anschließend bis zum Abendessen etwas die Beine. Also bis dann.“
Zwanzig Minuten später verließ ein jetzt ganz normal in einen braunen Tweedanzug gekleideter Jim Robson das Hotel Star durch einen Nebenausgang. Auch die Brille fehlte. Unter den Arm geklemmt hatte er eine große breitflächige, aber dünne Mappe.
Ron Dullinger war ein rothaariger, 19jähriger Bursche und machte einen aufgeweckten Eindruck. Seine wasserblauen Augen schauten Jim Robson neugierig an. Der Sergeant entschloß sich, gegenüber dem Jungen auf Schauspielereien zu verzichten. Es war fraglich, ob er ihm etwas hätte vormachen können. Sie saßen in dem kleinen Wohnzimmer, das sich über dem Gemischtwarengeschäft der Witwe
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