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Die Hand

Die Hand

Titel: Die Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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hatte ihm schlicht die Sprache verschlagen, was bei ihm wirklich eine Seltenheit war. Er sah Perry Clifton und seinen Großvater mit derart traurigen Augen an, daß er ihnen fast leid tat. Es war zweifellos ein schwerer Schlag, den ihm da Ronnie Hastings versetzt hatte.
    Perry Clifton versuchte, seinen Freund zu trösten: „Jetzt laß mal den Kopf nicht hängen, Dicki. Ronnie hat da sicherlich einen guten Treffer gelandet. Aber wir haben schließlich auch eine Aufgabe. Unsere Reise ist eine geheime Mission.“
    Dickis Laune besserte sich etwas. Daran hatte er im ersten Augenblick gar nicht mehr gedacht. Seine düstere Miene hellte sich auf. Na klar, was war schon ein kleiner Taschendieb, der über ein Bein stolperte, das zufällig Ronnie Hastings gehörte, gegen eine ganze Schmugglerbande.
    „Während ihr überlegt und Mister Clifton seine Anzüge irgendwo abstellt, muß ich noch etwas erledigen gehen. Wartet hier, ich bin in Kürze zurück.“ Er holte gewichtig ein Stück Kreide heraus und malte ein symbolisches Stoppzeichen in Form eines Blitzes auf die Dielen innerhalb der Haustür.
    Perry Clifton und Mister Miller schauten sich bedeutungsvoll an, und einstimmig sagten sie: „Niemals würden wir es wagen!“
    Dicki ging aufrecht und gewichtig um das Haus, und als er glaubte, nicht mehr gesehen zu werden, rannte er los. Er rannte hoch auf einen Hügel und hatte die Küste und das Dorf unter sich und das Spiel des Windes mit den Wolken ganz nah über sich.
    Hier dachte er nach, und der Duft des Meeres und die Berührung des Windes vom Atlantik her ließen seine Gedanken spielen wie die Sonne in dem verschiedenen Grün der Gräser. Er würde Perry Clifton in Kombinationskraft nicht nachstehen.
    Dicki kam zurück und warf sich auf die Couch. Er legte sich platt auf den Rücken, streichelte mit einem Augenzwinkern und einer Grimasse, die anscheinend, den Blicken der anderen nach zu urteilen, etwas anders ausfiel, als sie angelegt war, über seine ausgebeulte Hosentasche mit der Geheimnummer.
    „Also, Freunde“, sagte er mit fester Stimme und legte sein rechtes Bein über das linke, „wie sehen unsere nächsten Schritte aus?“

Ein seltsamer Gast tritt auf

    Watford, 31. Juli.
    Im Schankraum des Hotel Star in Watford befand sich um diese Zeit nur ein einziger Gast. Es war genau 16 Uhr 25. Der große, bullige Wirt Peabody trug eine nicht mehr ganz weiße Schürze und spülte Gläser. Seit gut zwanzig Minuten versuchte der Gast, er war gestern abend eingezogen, mit ihm ins Gespräch zu kommen, was bisher aber von wenig Erfolg gekrönt war. Der Mann war so klein, daß es ihm einige Mühe kostete, sich mit dem linken Ellenbogen auf den Tresen zu stützen. Bei genauem Hinsehen konnte man hinter der Nickelbrille in dem blassen Gesicht zwei flinke, listige Augen bemerken, die ununterbrochen die Umgebung taxierten: Nichts schien diesen Augen zu entgehen. Sie wanderten von dem schweren Holztresen, der durch jahrelangen Zigarren- und Zigarettenrauch, von verschüttetem Bier und Whisky „gebeizt“ war, über den großen Spiegel hinter der Bar, in dem man alle acht Tische des Raumes überblicken konnte. An den Wänden hingen verschiedene Wappen aus Holz, in einem Schaukasten dazwischen Pokale und Wimpel des örtlichen Kricketvereins.
    Auffallend bei dem Gast selbst waren seine gepflegten, fast fraulich wirkenden Hände, die langen zarten Finger, die er fast unablässig knetete. Den bizarren Eindruck verstärkten noch ein mit schreiendgelben und violetten Karos gemustertes Sakko und eine alte, abgewetzte Melone auf dem Kopf, die er nicht einmal zum Essen abnahm. Der Mann war niemand anderer als Kriminalsergeant Jim Robson von Scotland Yard, zur Zeit tätig in der Sonderabteilung gegen organisierten Menschenschmuggel.
    Ursprünglich kam Robson vom Glücksspieldezernat und konnte mit jedem noch so ausgefuchsten Falschspieler mithalten. Deshalb auch seine Angewohnheit, seine Finger ständig in Bewegung und geschmeidig zu halten. Zur Sonderabteilung von Inspektor Ridley war Robson gekommen, weil er niemandem weniger ähnelte als einem Polizeibeamten und daher leicht in jede Szene einzuschleusen war. Außerdem hatte er eine besondere Begabung entwickelt, sich zu verkleiden.
    Für seine derzeitige Aufgabe hatte Jim Robson, der normalerweise wirklich wie ein kleiner Vertreter aussah — so hatte Chiefinspector Ellis ja gegenüber Inspektor Ridley bemerkt —, eine gezielt auffallende Aufmachung gewählt. Er rechnete damit, so

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