Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hand

Die Hand

Titel: Die Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
Vom Netzwerk:
besser mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, ohne selbst zu neugierig zu wirken. Denn so wie er herausgeputzt war, müßte er eigentlich die Neugier der anderen automatisch wecken.
    Nur der Wirt Mark Peabody spielte nicht mit. Alle Versuche, ihn auszufragen, scheiterten bisher kläglich an dessen völligem Desinteresse. Als ehemaliger Maat auf einem Erzfrachter hatte Peabody allerdings schon eine ganze Menge „Paradiesvögel“ kennengelernt, und als Wirt war er deshalb überhaupt nicht mehr neugierig auf den Lebenslauf seiner Gäste. Eine harte Nuß für Sergeant Jim Robson, der sich als Vertreter für Spielkarten in das Gästebuch eingetragen hatte. In seinem Musterkoffer hatte er etliche Kartenspiele zum Vorzeigen dabei. Zum Verkauf waren sie jedoch nicht geeignet. Sie stammten aus dem Fundus des Glücksspieldezernates und waren alle gezinkt.
    „Scheint kein gutes Absatzgebiet für Spielkarten zu sein“, sagte Jim Robson aufgeräumt zu dem breiten Rücken, den ihm Mark Peabody gerade zudrehte.
    Ein undeutliches Grunzen war die Antwort.
    „Dabei hat mir ein Freund gesagt, daß in Ihrem Hinterzimmer öfter heiße Pokerpartien stattfinden sollen.“
    Wieder ein Grunzen.
    „Wenigstens nimmt er mich schon zur Kenntnis”, dachte Jim Robson und sandte einen hilfesuchenden Blick zur Decke. Bei diesem maulfaulen Fleischberg mußte er wohl stärkere Geschütze auffahren.
    Der Sergeant griff in seine rechte Sakkotasche und holte einen Stoß Spielkarten heraus. Er nahm die Karten in beide Hände und bog sie zu einer Art Tunnel zusammen. Dann ließ er sie mit einem Schnalzen wieder entspannen und zu einem ebenen Stoß aufeinanderfallen. Das wiederholte er mehrmals, bis sich der Wirt endlich umdrehte.
    Mark Peabody beobachtete eine Zeitlang stumm, wie Robsons geschmeidige Finger geschickt mit den Karten umgingen. Dann rang er sich zu der Bemerkung durch: „Hab’ mal einen gekannt, der konnte das fast genausogut.“
    „Und, was ist aus ihm geworden?“ fragte Jim Robson und dachte: „Na, also. Du kannst ja reden.“
    „Er ist in Sansibar erstochen worden, weil ihm ein As aus dem Ärmel fiel“, gab der Wirt ungerührt Bescheid. Und mit einem drohenden Knurren tief aus seinem mächtigen Brustkasten fügte Mark Peabody hinzu: „Ich kann Falschspieler auch nicht leiden.“
    Jim Robson hob abwehrend beide Hände und schaute so entsetzt hinter seinen Brillengläsern — sie waren übrigens nur aus Fensterglas als hätte man ihm soeben vorgeschlagen, mit dem Teufel zusammen Weihwasser zu trinken.
    „O nein. Wo denken Sie hin? Ich selbst spiele nicht Karten. Ich lebe vom Laster anderer, denen ich sie verkaufe. Ich bin nur der Verführer, die Sünden müssen die Kunden begehen.“ Robson begleitete seine salbungsvollen Worte mit einem meckernden Gelächter. Er spielte seine Rolle vollkommen.
    Dann nahm er die Spielkarten wieder auf, mischte sie in einer Hand so schnell durcheinander, daß Peabodys Augen kaum folgen konnten. Auffordernd hielt er dem Wirt den Stoß hin; wobei er den Kopf zur Seite drehte: „Da, nehmen Sie irgendeine Karte heraus. Irgendeine, und lassen Sie mich die Karte nicht sehen.“
    Mark Peabody zögerte kurz und griff sich eine Karte von ziemlich weit unten. Er warf einen kurzen Blick darauf und drückte sie dann fest an seine Brust.
    Jim Robson ließ seine Augen wie in Trance verschleiern und strich mit der Hand mehrmals leicht über seine verbliebenen Karten, wozu er dumpf geheimnisvolle Worte murmelte, die sich wie magische Beschwörungsformeln anhörten. Dem guten Mark Peabody wurde abwechselnd heiß und kalt, so unheimlich wirkte dieser merkwürdige Fremde plötzlich auf ihn. Wie viele Seeleute war der Wirt nämlich sehr abergläubisch und glaubte fest an Schwarze Magie und böse Geister.

    Jim Robsons Blick wurde wieder klar. „Pik-Sieben“, sagte er und stieß seinen rechten Zeigefinger so unvermittelt auf die Karte an Peabodys Brust, daß der nervös mit den Augenlidern flatterte.
    Erregt stieß der Wirt hervor: „Wie... wie um alles in der Welt können Sie das wissen?“
    Mit todernster Miene verkündete Jim Robson: „Schon seit meiner Kindheit habe ich die Gabe, hinter Dinge zu blicken, die den normal Sterblichen verborgen bleiben. Zum erstenmal bemerkte ich meine Fähigkeit als Achtjähriger. Damals machte ich meine Mutter darauf aufmerksam, daß die Milch sauer war, die sie gerade trinken wollte, obwohl ich sie selbst nicht probiert hatte.“
    Das war natürlich sehr dick aufgetragen,

Weitere Kostenlose Bücher