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Die Hassliste: Roman (German Edition)

Die Hassliste: Roman (German Edition)

Titel: Die Hassliste: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Brown
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rief sie Dad an. Während ich die Treppen zu meinem Zimmer hochging, hörte ich ihre Stimme, die immer höher und höher stieg, je länger sie redete. Sie warf ihm vor, dass er es gewusst, ihr aber verschwiegen hatte. Dass er sie nicht angerufen hatte, bevor er losgefahren war. Und vor allem warf sie ihm vor, dass er nicht hier zu Hause war, wo er eigentlich hingehörte.
    Nach einer Weile hörte ich, wie die Haustür geöffnet wurde, und dann war da wieder Mom, die vor sich hinredete. Ich öffnete die Zimmertür und spähte nach draußen. Dad stand im Eingangsbereich, die Hände in die Hüften gestemmt und das Gesicht verzerrt vor Ärger.
    Mir fiel auf, dass er Freizeitklamotten trug, was ich seltsam fand, weil Dad normalerweise auch samstags arbeitete. Aber dann entdeckte ich Farbflecken auf seinem Hemd und mir wurde klar, dass er heute anscheinend daheim geblieben war und Brileys Wohnung gestrichen hatte. Damit sie zu ihrer gemeinsamen Wohnung wurde. Leise schloss ich die Tür und lief zum Fenster. Briley saß in dem geparkten Auto und wartete auf ihn.
    Wieder hörte ich undeutlich die angespannte Stimme meiner Mutter. Und seine donnernde Erwiderung: »Was hätte ich denn tun sollen?« Er schwieg, dann hob er wieder die Stimme: »Sie zurück in dieses verdammte Krankenhaus bringen, in die Irrenabteilung, das wär das einzig Richtige gewesen. Das mit den Fortschritten ist doch Blödsinn. Was dieser dämliche Nervenarzt erzählt, ist mir scheißegal!« Dann hörte ich, wie die Haustür ins Schloss geworfen wurde. Ich rannte wieder zum Fensterund beobachtete, wie er zu Briley ins Auto stieg und davonfuhr.
    Dad war noch nicht lange weg, da merkte ich, wie sich an der Tür etwas bewegte, und drehte den Kopf. Frankie lehnte zögernd im Türrahmen. Er sah irgendwie älter aus, mit seinen kurz rasierten Haaren, in denen Gel glitzerte, in seinem Button-down-Hemd, das lässig über ein
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fiel. Sein Gesicht kam mir unnatürlich glatt und unschuldig vor und durch die rosigen Flecken auf seinen Backen wirkte es immer so, als wäre er andauernd verlegen. Vielleicht war er ja wirklich andauernd verlegen. Es wäre kein Wunder bei dem Leben, mit dem er klarkommen musste.
    Seit Dads Auszug hatte Frankie mehr oder weniger bei seinem bestem Freund Mike gewohnt. Ich hatte mitbekommen, wie Mom Mikes Mutter erklärte, sie bräuchte ein bisschen Zeit, um mit ihrer Ältesten wieder auf Kurs zu kommen, und sie wisse es sehr zu schätzen, dass sich Mikes Familie so um Frankie kümmerte. Ich war mir ziemlich sicher, dass die Zeit bei Mike hinter Frankies Veränderung steckte. Mikes Mutter war eine von diesen Supermüttern, die nie im Leben ein Kind mit Stachelhaaren hätten. Und schon gar keins, das in Schulen Amok lief. Frankie war ein braver Junge. Sogar ich konnte das erkennen.
    »Hallo«, sagte er. »Alles klar bei dir?«
    Ich nickte und setzte mich auf. »Ja, alles klar. Bin nur ein bisschen müde.«
    »Wollen die dich wirklich zurück ins Krankenhaus schicken?«
    Ich verdrehte die Augen. »Dad lässt nur Dampf ab. Er will bloß seine Ruhe vor mir.«
    »Musst du denn zurück? Ich meine, bist du wirklich verrückt oder so?«
    Beinah hätte ich laut gelacht. Tatsächlich kicherte ich leise, was mir allerdings im Kopf wehtat. Ich schüttelte den Kopf. Nein, ich war nicht verrückt. Zumindest glaubte ich, dass ich es nicht war. »Die sind nur ein bisschen durch den Wind«, sagte ich. »Die kriegen sich schon wieder ein.«
    »Na ja, wenn du da hinmusst   …«, begann er und unterbrach sich. Mit seinen abgekauten Fingernägeln zupfte er an meiner Bettdecke herum. »Wenn du doch hinmusst, dann schreib ich dir«, sagte er.
    Ich wollte ihn in den Arm nehmen. Ihn trösten. Ihm sagen, dass das nicht nötig wäre, weil ich auf gar keinen Fall in irgendeine dämliche Irrenabteilung gehen würde. Dass ich nur Dad aus dem Weg gehen müsste, der sich über kurz oder lang wieder abregen würde. Ich wollte Frankie sagen, dass irgendwann wieder alles in Ordnung wäre mit unserer Familie – dass am Ende sogar alles besser würde.
    Aber ich sagte nichts davon. Ich sagte überhaupt gar nichts, denn irgendwie kam mir nichts zu sagen menschlicher vor als all diese Beschwichtigungsversuche. Denn wie hätte ich irgendwas wissen sollen über die Zukunft?
    Plötzlich begann Frankie zu strahlen. »Dad besorgt mir ein Quad-Motorrad!«, sagte er aufgekratzt. »Hat er mir gestern Abend am Telefon erzählt. Und er will mit mir los und mir zeigen,

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