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Die Hassliste: Roman (German Edition)

Die Hassliste: Roman (German Edition)

Titel: Die Hassliste: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Brown
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Furche in ihrer Mitte hinterließ. Ich zog den Pinsel wieder heraus und musterte ihn, dann machte ich das Gleiche noch mal, ein paar Zentimeter vom ersten Riss entfernt.
    Zu behaupten, dass ich da bewusst irgendetwas schuf, wäre gelogen. Mir ging beim Arbeiten nichts weiter durch den Sinn. Ich wusste nur, dass sich meine Hände bewegten und dass mich mit jedem Hieb auf die Leinwand ein Gefühl kaum fassbarer Erleichterung überlief. Es war nicht so, dass ich ein bestimmtes Gefühl anstrebte, es kam mir eher vor, als würde etwas aus mir herausgesogen.
    Bald gab es zehn Schlitze auf meiner Leinwand. Ich malte sie rot an. Dann umrandete ich sie mit viel Schwarz und tupfte wässrige Tropfen darauf, die wie Tränenspuren aussahen.
    Ich setzte mich zurück und betrachtete das Bild. Es war hässlich, finster, hemmungslos. Wie das Gesicht von einem Ungeheuer. Aber vielleicht war das, was ich sah, ja einfach mein eigenes Gesicht? Ich konnte es nicht recht sagen. Zeigte dieses Gesicht etwas zutiefst Böses oder war es schlicht ein Bild von mir selbst?
    »Beides«, murmelte Bea, als hätte ich die Frage laut ausgesprochen. »Natürlich ist es beides. Aber das sollte es nicht sein. Himmel, nein.«
    Trotzdem wusste ich jetzt, was ich tun musste. Troy hatte im Grunde recht. Ich gehörte nirgends dazu. Nicht zu Jessica, nicht zu Meghan und garantiert nicht zu Josh. Ich gehörte nicht auf solche Partys. Ich gehörte auch nicht in den Schülerrat. Ich gehörte nicht zu Stacey und Duce. Oder zu meinen Eltern, die so viel gelitten hatten. Und auch nicht zu Frankie, der so leicht Freunde fand.
    Wem wollte ich etwas vormachen? Ich hatte auch nie zu Nick gehört. Weil ich ihn nämlich total hintergangen hatte – ich hatte ihm das Gefühl gegeben, ich würde an das Gleiche glauben wie er, hatte ihn denken lassen, ichwäre auf seiner Seite, egal, was er tat, sogar wenn er Leute umbrachte.
    Bea sah das falsch. Ich war eben doch zugleich Ungeheuer und trauriges Mädchen. Ich konnte beides nicht voneinander trennen.
    Ich ließ den Pinsel los, der geräuschvoll zu Boden fiel und die Beine meiner Jeans mit Farbspritzern bedeckte, und machte mich davon. Dabei tat ich, als würde ich die Ermutigungen, die Bea mir hinterherrief, gar nicht hören.

 
    »Du kannst jetzt nicht aussteigen«, sagte Jessica. Eine ärgerliche kleine Falte bildete sich auf ihrer Stirn. »Wir haben nur noch ein paar Monate, um alles auf die Reihe zu kriegen. Wir brauchen deine Unterstützung. Du bist eine Verpflichtung eingegangen.«
    »Na, dann löse ich jetzt eben die Verpflichtung«, antwortete ich. »Ich bin jedenfalls draußen.«
    Ich klappte mein Schließfach zu und steuerte auf die Glastüren zu.
    »Was ist dein Problem?«, zischte Jessica und rannte hinter mir her. Einen Augenblick lang schimmerte die Jessica von früher durch – ich hörte fast das Echo ihrer Stimme:
Was glotzt du so, Todesschwester?
Und in gewisser Weise erleichterte mir diese Erinnerung das, was ich tun wollte.
    »Diese Schule ist mein Problem!«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Die Arschlöcher, mit denen du befreundet bist, sind mein Problem. Ich will einfach nur in Ruhe gelassen werden. Meinen Abschluss machen unddann von hier abhauen. Warum verstehst du das nicht? Warum bedrängst du mich immer so und willst mich zu jemandem machen, der ich nicht bin?« Ich behielt mein Tempo bei.
    »Herrje, Valerie, wann hörst du endlich auf damit? Dieses ewige
Ich gehör nicht zu euch!
Wie oft muss ich’s dir noch sagen, dass du das sehr wohl tust? Ich hab gedacht, wir wären Freundinnen.«
    Ich blieb stehen und drehte mich abrupt zu ihr um. Das war ein Fehler. Ich fühlte mich plötzlich furchtbar schuldig, denn ich sah ihr an, wie verletzt sie war. Trotzdem musste ich einfach weg von ihr, das war mir klar. Weg vom Schülerrat. Weg von Meghan. Weg von Alex Gold, der mich so sehr ablehnte, dass er Josh auf seiner Party als Aufseher für mich organisiert und Troy dazu gebracht hatte, mich zu bedrohen. Weg von der Verwirrung, weg von all den Verletzungen.
    Ich konnte Jessica über das, was auf der Party mit Troy passiert war, nicht die Wahrheit sagen. Sie hatte schon Meghan unter Druck gesetzt, damit sie mich akzeptierte. Troy würde sie wahrscheinlich die Tür einschlagen und ihn höchstpersönlich festnehmen. Ich konnte mir gut vorstellen, wie sie für mich in den Kampf zog und alle in der Schule dazu verdonnerte, mich anzunehmen, ob sie wollten oder nicht. Ich hatte keine Lust mehr, das

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