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Die Hassliste: Roman (German Edition)

Die Hassliste: Roman (German Edition)

Titel: Die Hassliste: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Brown
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gehabt. Für mich war sie »Ma« gewesen, so wie Nick sie genannt hatte, und mir gegenüber war sie immer locker und nett gewesen. Sie hatte sich meistens im Hintergrund gehalten, es war ihr anscheinend wichtig, Nick und mich unser eigenes Ding machen zu lassen – sie war unaufdringlich und stellte auch keine Verhaltensregeln für uns auf. Ma war einfach cool. Ich mochte sie gern. Oft hatte ich sie als meine Schwiegermutter angesehen, eine Vorstellung, die mir gefiel.
    Natürlich würde Ma wollen, dass man an Nick als einen geliebten Sohn dachte. Natürlich würde sie das wie nebenhin zum Ausdruck bringen – es ihm zuflüstern in winzigen Buchstaben auf seiner Grabplatte. Nur ein Flüstern.
Du bist geliebt worden, mein Sohn. Ich hab dich lieb gehabt. Auch nach alldem erinnere ich mich an dich als meinen Sohn, den ich liebe. Ich kann nicht vergessen.
    Ein Strauß blauer Plastikrosen stand in einer Metallvase, die oben auf der Steinplatte fest angebracht war. Ich beugte mich vor, um eines der spröden Blütenblätter zu berühren, und fragte mich, ob Nick wohl der Typ war, der gern Blumen auf seinem Grab haben wollte. Ich war auf einmal bestürzt darüber, dass ich mir nie die Mühe gemacht hatte, das in Erfahrung zu bringen. Drei Jahre lang waren wir zusammen gewesen und ich hatte ihn nie gefragt, ob er Blumen mochte, ob er Rosen gut fand, ob er Blau als Farbe für Plastikrosen unnatürlich und absurd fand. Und auf einmal kam mir schon allein das wie eine große Tragödie vor – die Tatsache, dass ich es nicht wusste.
    Ich ließ mich auf die Knie sinken, wobei mein Bein höllisch wehtat, streckte den Zeigefinger aus und zogNicks Namen nach.
Nicholas
. Ich musste grinsen, als mir einfiel, wie ich ihn mit seinem Namen aufgezogen hatte.
    »Nicholas«, hatte ich gedehnt gerufen und war um die Ecke zwischen Küche und Esszimmer geflitzt, mit dem gerahmten Foto in den Händen, das ich mir vom Kaminsims im Wohnzimmer geschnappt hatte. »Oh, Nicholas! Komm doch her, Nicholas!«
    »Das wirst du noch bereuen«, sagte er von irgendwoher aus dem Wohnzimmer. Ein Lächeln lag in seiner Stimme, und obwohl ich ihn aufzog und mit einem Namen anredete, den er absolut nicht ausstehen konnte, war mir klar, dass er mir nicht hinterherjagte, um es mir heimzuzahlen, sondern aus reiner Verspieltheit. »Warte, wenn ich dich erwische   …«
    Mit einem lauten »Ha« sprang er um die Ecke. Ich quiekte und rannte lachend weg, quer durch die Küche und die Treppen hoch Richtung Bad.
    »Nicholas, Nicholas, Nicholas!«, brüllte ich lachend. Ich hörte ihn dicht hinter mir lachen und herumstänkern. »Nicholas Anthony!«
    »Jetzt reicht’s«, rief er, machte einen Satz auf mich zu und packte mich direkt vor der Badezimmertür um die Taille. »Dafür musst du büßen!« Er warf mich um, ließ sich auf mich fallen und kitzelte mich, bis ich weinte.
    Wie lange her das jetzt schien.
    Wieder zog ich mit dem Finger seinen Namen nach. Und dann noch einmal. Irgendwie gab es mir das Gefühl, der alte Nick – der, der mich im Obergeschoss seines Hauses auf dem Flurboden vorm Bad durchgekitzelt hatte – wäre noch viel lebendiger, als er es je gewesen war.
    »Ich hasse dich nicht«, wisperte ich, und dann sagte iches noch einmal lauter. »Nein, das tu ich nicht.« Ein Vogel antwortete mir von einem Baum zu meiner Linken aus. Ich suchte die Blätter und Zweige mit Blicken ab, aber ich entdeckte ihn nicht.
    »Wurde auch langsam Zeit«, sagte eine Stimme hinter mir.
    Ich zuckte zusammen und fuhr herum, wobei ich von den Knien auf meinen Hintern plumpste. Duce hockte vornübergebeugt auf einer Betonbank hinter mir, die Hände baumelten ihm zwischen den Knien.
    »Wie lang sitzt du schon hier?«, fragte ich ihn und versuchte, meinen Herzschlag zu beruhigen, indem ich mir die Hand auf die Brust legte.
    »Jeden Tag, seit er gestorben ist. Und du?«
    »Das hab ich nicht gemeint.«
    »Ich weiß.«
    Wir starrten uns eine Weile lang an. Der Blick von Duce hatte etwas Herausforderndes. Er fixierte mich wie ein kampfbereiter Hund seinen Gegner.
    »Und was tust du jetzt hier?«, fragte er.
    Ich sah ihn direkt an, nun selbst herausfordernd. »Du kannst mich nicht von hier vertreiben«, sagte ich. »Und ich begreife nicht, warum du so verdammt vorwurfsvoll bist mir gegenüber. Du bist sein bester Freund gewesen. Du hättest das Ganze genauso gut verhindern können wie ich.«
    »Das mit der Liste warst du«, entgegnete er.
    »Aber du hast zwei Tage vorher noch bei ihm

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