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Die Haushälterin

Die Haushälterin

Titel: Die Haushälterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jens Petersen
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auf und legte sie wieder zwischen die Seiten. Da waren die Ferkel, eins lag auf dem Bauch, das andere auf dem Rücken; von der Sau sah man nur die Zitzen. Daneben stand das Rezept für diesen Salat mit Pinienkernen und Speck. Ich nahm eine Handvoll Rucola aus dem Gemüsefach, stellte den Herd an, brachte Öl zum sieden und legte die Speckscheiben hinein; sie schimmerten in der Pfanne wie grünstichiges Perlmutt. Ich schälte rote Zwiebeln, hielt sie von mir weg, damit mein Vater nicht, wenn er aus der Küche ein König Pilsener holte, fragen würde, warum ich weinte.
    Plötzlich knarrte der Sessel. Mein Vater stöhnte; die Bleiglaskaraffen vibrierten zu seinen dumpfen Schritten. Ich nahm den Speck von der Herdplatte. Die Tür zum Klavierzimmer quietschte. Wieder einige Schritte, das Schaben der filzbezogenen Füße des Klavierhockers auf dem Parkett, dann das Knacken trockenen Holzes. Ein kurzes Innehalten. Pfeifende Atemstöße, das Rascheln von Papier, ein Umblättern, schließlich Töne: Debussy, von dem meine Mutter behauptet hatte, daß sie ihn liebe -einen Mann, der vor beinahe achtzig Jahren gestorben war.
    Oft hatte ich, wenn sie spielte, hinter ihr gestanden, in die zerfledderten Seiten oder auf ihren Nacken geschaut. Sie hatte mir erklärt, was »Andante très expressif« hieß, und gleich darauf ihre schlanken Finger über die Tasten gleiten lassen. Seit ihrem Tod versuchte mein Vater, »Clair de Lune« zu spielen; er hatte bei Steinway am Ron-denbarg ein Buch für Klavieranfänger gekauft, hatte gelernt, Noten zu lesen, und als nach einigen Wochen die ersten Takte beinahe klangen wie bei dem tschechischen Pianisten auf dieser abgenutzten Platte, war er in den Garten gegangen, hatte sich an den Fluß gesetzt, seine Pfeife angesteckt und ein Schneuztuch hervorgezogen. Seitdem kam er nicht weiter. Er stolperte über die Stelle mit dem Hinweis »Un poco mosso« wie ein Vergeßlicher über die Bordsteinkante vor dem eigenen Haus. Er trat das Pedal durch, bis die Mechanik im Inneren des Klaviers ächzte, spielte Phantasieakkorde, schlug mit der flachen Hand auf die Tasten und nahm dann einen Schluck Bier; ich hörte das Schmatzen, als sich seine Lippen von der Flasche lösten.
    »Was brätst du da?« rief er.
    »Speck«, sagte ich.
    »Was?« rief er, »sprich lauter!«
    Ich schwieg. Er begann wieder zu spielen, diesmal ein Stück aus dem Übungsbuch, einen einfachen Walzer. Am Schluß des Stückes begann er von vorn, dann wieder, als wäre er schwachsinnig. Ich stieß mit dem Fuß die Küchentür zu, aber der Walzer drang hindurch; ich schaltete das Radio auf der Fensterbank ein, suchte einen Sender, drehte auf bis zum Anschlag und rührte zu einem Song von INXS, bis die Zwiebeln am Boden der Pfanne schwarze Krusten hinterließen.
    Schließlich nahm ich eine Schüssel, legte die Ruco-lablätter hinein, tat einige Pinienkerne, die Zwiebeln und den Speck dazu und träufelte Essig darüber. Ich las noch einmal das Rezept; meine Mutter hatte diesen Salat auf die gleiche Weise zubereitet, und doch hätte, was vor mir stand, aus einem Kuhmagen stammen können. Ich schlug das Buch zu, wischte die Spritzer vom Umschlag und schob es zurück ins Regal.
    Im Radio liefen Nachrichten. Ich schaltete aus. Bis auf zwei Wespen, die um die Salatschüssel surrten, war es still in der Küche. Plötzlich tat mir mein Vater leid. Ich ging ins Wohnzimmer, um ihm ein Glas Wasser mit Zitrone zu bringen, aber der Ohrensessel war leer. Im Klavierzimmer stand seine Bierflasche auf dem Parkettboden, daneben lagen die Noten, und dann war da dieser Geruch, der morgens aus seinem Schlafzimmer in den Flur drang, den der Wäschesack verströmte, wenn seine Unterhemden zu lange darin gelegen hatten.
    Ein Knall.
    Ich stürzte zur Kellertür. Mein Vater lag am Fuß der Treppe, um ihn bunte Scherben, die Messingteller des Schützenvereins und ein ausgestopfter Fasan. Von seinem Kopf rann helles Blut auf den gefliesten Boden. Ich schrie ihn an, schrie: »Laß das!«, und stützte mich am Türrahmen ab. Sein Bein war verdreht, das Knie lag unter seiner Hüfte. Ich stieg die Stufen hinab, eine nach der anderen, hielt mich am Geländer fest, hoffte, er würde aufspringen und über meine Einfalt lachen. Unter meinen Hausschuhen knirschte das Glas der zerbrochenen Flaschen. Der Gestank verbrannter Zwiebeln verlor sich in den Aromen von Kümmel und Mirabellenschnaps. Ich hockte mich neben ihn und sah in sein schlaffes Gesicht, wischte mit meinem Ärmel

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