Die Hazienda des Gluecks
Gesicht, und nicht die kleinste Andeutung eines Lächelns spielte um seine Mundwinkel. Er sah sie an wie eine Fremde, und weil sie seit jener Stunde in Gil Howards Wohnung in tausend Ängsten schwebte, konnte sie sich nicht so unbefangen bewegen wie andere Frauen. Sie stand nur regungslos da und hieß ihren Mann nicht herzlicher willkommen als eine blasse Marmorfigur.
Dann trat ein leicht ironischer Ausdruck in seine Augen, und er ne igte den Kopf in einer spöttischen Begrüßung. Die Sonnenstrahlen setzten seinem Haar blauschwarze Glanzlichter auf. Wie eine Feder auf dem Helm eines spanischen Eroberers, dachte Colette, und ihre Fingerspitzen kribbelten, als sie sich daran erinnerte, wie sich dieses Haar anfühlte: dicht, fest und niemals ölig.
Colette wartete auf der Terrasse auf ihn, anstatt ihm wie eine pflichtgetreue Ehefrau entgegenzueilen.
Sie hatte sich sorgfältig auf diese Begegnung vorbereitet. Diesmal lief sie nicht wie üblich in Hosen auf der Hazienda herum, sondern hatte ein aprikosenfarbenes Chiffonkleid ausgewählt, dessen Saum mit einem duftigen Volant besetzt war. Sie ging zu einem der bequemen Rohrsessel, auf dem sie sich mit übergeschlagenen Beinen niederließ. Sie versuchte eine elegante und unbeteiligte Haltung einzunehmen.
Innerlich war sie jedoch ein reines Nervenbündel und konnte unmöglich der Begegnung mit ihm ruhig und gefasst entgegensehen. Sie dachte daran, dass nach einer Woche sein Verlangen nach ihr wahrscheinlich ins Unermessliche gestiegen war. Er würde sie mit den Augen verschlingen und sie besitzen, ohne sie auch nur anzurühren.
Sie lehnte ihren Kopf gegen das zitronengelbe Kissen des Sessels. Die Sonne blendete sie, und sie schloss die Augen. Wenn er kam, würde sie so tun, als ob sie eingeschlafen war, als ob es ihr vollkommen gleichgültig war, ob er zu Hause war oder nicht.
Für ein paar Minuten war sie allein in der schweigenden Mittagshitze, in der selbst die Zikaden verstummt waren. Der Duft der Kletterrosen, die sich an einer nahen Mauer hochrankten, drang zu ihr herüber.
Blumenduft und Sonnenschein - aber Colette erschauerte trotz der Wärme. Wenn es ihr nur gelungen wäre, vor seiner Rückkehr zu fliehen! Aber sie hatte keine Möglichkeit gefunden, sich ihren Pass zu verschaffen.
Wie von selbst streckte sich ihre Hand nach den Rosen aus. Sie riss eine der duftenden Blüten mit einer abrupten Bewegung vom Strauch und begann sie achtlos zu zerzupfen. Sie war sich ihrer grausamen Zerstörungswut gar nicht bewusst. Sie wusste nur, dass in ihren Gedanken und Gefühlen ein wirres Durcheinander herrschte.
Plötzlich spürte sie mit jeder Faser ihres Körpers, dass er auf sie zukam. Sie versteifte sich und zwang sich, die Augen geschlossen zu halten, bis ein Schatten über ihr e Lider fiel. Sie wusste, dass er sich über sie gebeugt hatte. Er sprach kein einziges Wort, sondern er wartete mit teuflischer Geduld darauf, dass sie ihre nach außen hin zur Schau getragene Fassung verlor.
Das Schweigen schien sich unendlich lange auszudehnen und begann an ihren Nerven zu zerren. Sie hielt diese spöttische Musterung einfach nicht mehr aus. Er wusste, dass sie hellwach war und nur so tat, als ob sie in der Sonne eingedöst war. Es war ihr, als dränge sein Blick mit hypnotischer Kraft in ihre Gedanken ein.
Ohne sie auch nur mit der Hand zu streifen, zwang er Colette, die Augen aufzuschlagen und ihn anzusehen. Seine dunkle Gestalt schien die Sonne zu verdecken, und der Ausdruck seiner Augen war unergründlich.
Immer noch zögerte sie, aber es war ihr bereits klar, dass sie als erste das Wort ergreifen musste. Irgend etwas musste sie wohl sagen. Sie hatte ihm ja bereits mit aller Deutlichkeit gezeigt, dass seine Rückkehr sie durchaus nicht in einen Freudentaumel versetzte, und darum fiel es ihr auch nicht besonders schwer, beiläufig zu murmeln: "Hallo, du siehst gut aus. Ich hoffe, dass du deine geschäftlichen Angelegenheiten zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht hast?" fügte sie hinzu. "Wirst du jetzt noch viel mehr Geld scheffeln?"
Innerlich freute sie sich diebisch über ihre spöttische Begrüßung, doch dann zuckte sie zusammen, als er sich plötzlich zu ihr hinunterbeugte und sie von ihrem Sessel hochzog. Er wirbelte sie herum, so dass das volle Sonnenlicht auf ihr Gesicht fiel, und betrachtete sie so eingehend, dass sie das Gefühl hatte, irgendein Kunstwerk zu sein, das von einem Experten auf einen geheimen Fehler untersucht wird.
"Nun, Colette, bist
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