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Die Hebamme von Venedig

Die Hebamme von Venedig

Titel: Die Hebamme von Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberta Rich
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Joseph zog Isaak zu seinem Karren am Rande der Menge.
    Isaak stellte sich den Frieden des Klosters vor, einen Garten mit Olivenbäumen und vielleicht sogar Bienenkörben. Er zögerte.
    »Wenn du nicht mitkommen willst«, sagte Joseph, »nehme ich dich wie einen Ziegenkadaver über die Schulter.«
    Die Schwester versuchte, Joseph die Münzen in die Tasche zu stecken, aber er wich zurück.
    Isaak fühlte sich wie ein Fisch auf dem Mercato di Rialto, um den sich zwei Frauen stritten.
    »Der Jude gehört mir. Schwärzt mich doch beim Großmeister an, wenn Euch nicht gefällt, wie ich meine Sklaven behandle«, sagte Joseph. Er schubste Isaak in seinen Karren und kletterte auf den Bock.
    »Es ist Gottes Wille, dass ich ihn bekomme, Joseph. Überlass ihn mir und kauf stattdessen den Wüstling da drüben.« Sie deutete auf einen massigen Nubier hinten auf der Plattform. »Der dient dir länger als der hier. Überlass mir den Juden.«
    Joseph griff nach den Zügeln seines Pferdes. »Lasst mich durch, Schwester.«
    »Rette deine Seele, Joseph«, rief eine Männerstimme aus der Menge. »Lass ihn dem Kloster. Die Nonnen brauchen die Dienste von Männern mit großen Dingern nötiger als du.« Der Mann wollte sich vor Lachen schier ausschütten.
    Joseph lief rot an und machte ein schnalzendes Geräusch, hielt die Zügel aber noch ruhig. »Weil Ihr es seid, Schwester Assunta, gebt mir fünfzehn Scudi, und er gehört Euch.« Er machte eine Geste zu dem Hund in ihren Armen hin. »Dann könnt Ihr ihn zusammen mit Eurem Hündchen verhätscheln.«
    Schweiß rann Isaak die Beine hinunter, und er spürte, wie ihm das kleine Säckchen tiefer in die Hose rutschte. Er fuhr sich mit der Hand am Bein entlang und vermochte es ungesehen wieder hochzuschieben, während Joseph und Schwester Assunta weiterfeilschten.
    »Nimm meine zehn Scudi, mehr habe ich nicht. Unser Kloster ist arm.« Erneut versuchte sie ihm das Geld in die Hand zu drücken, aber Joseph schüttelte stur den Kopf.
    Schwester Assunta stöhnte entnervt. Sie hob den Saum ihrer Kutte an, stieg die Stufen zur Plattform hinauf, drängte einen Wärter zur Seite und wandte sich lautstark an die Menge: »Meine Schwestern und Brüder in Christus, ich brauche die Gabe von fünf Scudi für das Kloster. Wer immer Mitleid mit diesem Juden hat und Gottes Licht auf sich spüren möchte, der öffne bitte seinen Geldbeutel.«
    Isaak saß steif in Josephs Karren und wartete, dass sich jemand meldete, aber nicht eine Seele trat für ihn ein.
    Gott war noch nicht fertig mit ihm.

Kapitel 3

    W ährend des Vollmonds zogen unsichtbare Strömungen durch die Kanäle, wuschen deren brüchige Wände und ließen Wasser auf die glitschigen Stufen des Ghettos schwappen. Bei Flut verschwand der ganze Campo unter einer Schmutzschicht. Heute war so eine Nacht. Hannah hielt ihren Rock hoch, während sie, der Conte und der Rabbi aufs Tor zugingen und der Conte ihren Ellbogen gefasst hielt, damit sie auf dem Schlick nicht ausrutschte. Oben in ihrem Haus öffnete sich ein Fensterladen. Kerzenlicht flackerte in der Höhlung, dann schloss sich der Laden wieder. Hannah erschauderte, als eine Ratte in den Kanal sprang und sich das Wasser schmutzschillernd kräuselte.
    Kurz vor der Brücke wünschte der Rabbi ihnen eine gute Nacht und wandte sich seinem Zuhause zu. Um sie herum herrschte völlige Stille, die allein von ihren Schritten auf dem Pflaster durchbrochen wurde.
    Sie erreichten das schwere hölzerne Tor. Vicente hatte in der Hoffnung, dass der Conte ein paar Münzen hineinwerfen würde, seinen Hut umgedreht neben sich gelegt. Er schloss ihnen auf. Über den Ponte degli Agudi folgte Hannah dem Conte zu der Gondel auf dem Rio di San Girolamo. Der Gondoliere schnarchte so laut, dass er die Schweine vertrieben hatte, die sonst im Müll entlang der Mauer nach Fressbarem wühlten. Als sich die Schritte seines Herrn näherten, wachte er auf und eilte den beiden zu Hilfe. Er bot Hannah den Arm, um ihr in die Gondel zu helfen, und hielt den schweren Brokatvorhang der Felze, der kleinen Kabine, zur Seite, bis sie sich gesetzt hatte. Die Gondel schwankte heftig, als der Conte an Bord stieg. In der Felze war es dunkel wie in einer Höhle, und so blieb Hannah den Blicken aller verborgen, die der Gondel womöglich hinterhersahen. Die Abgeschirmtheit hätte ihr Sicherheit geben sollen, doch das tat sie nicht. Als der Gondoliere ablegte, wäre Hannah am liebsten zurück an Land gesprungen.
    Vorn am Bug schnitten sechs eiserne

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