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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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müssen. Sie musste ihm warmes Bier versprechen und würde dafür sorgen, dass er es sofort bei seiner Rückkehr bekam. Dann konnte sie sicher sein, dass er den zahnlosen Mund hielt über das, was sie ihm aufgetragen hatte.
    Zwei Stunden waren vergangen, seit sie dem unverkennbaren dünnen Ton die Stiege hinaufgefolgt war. Diesem zittrigen Laut, den sie kannte, weil er ihr schon aus so vielen Stuben entgegengekommen war. Immer dann, wenn sie als gute Nachbarin eine Wochensuppe brachte, die sie so zubereiten konnte, dass sich alle die Finger danach leckten.
    Es war bekannt, dass Marietta ein schwarzes Huhn schlachten ließ, wenn es in der Nachbarschaft eine Geburt gegeben hatte, denn das konnte sich hier wahrhaftig nicht jeder leisten. In der Stadt nahm das Elend täglich zu, die Töpfer aber hatten im Gegensatz zu anderen Handwerksbetrieben in diesen Tagen ein gutes Auskommen. Viele konnten ihre Waren kaum losschlagen, die Auftragslage der Euler jedoch stieg. Und seitdem sie nicht mehr nur Dachsteine brannten, sondern man plötzlich nach Töpfen, Krügen und Geschirr verlangte, die bis nach Frankfurt geliefert wurden, kam das Geschäft erst richtig in Schwung.
    Deshalb gefiel es Marietta, die Frau von Eugen Schricker, dem Töpfermeister, zu sein. Und sie wollte es bleiben. Dafür musste sie sich anstrengen, sie wusste es, obwohl er nicht darüber sprach. Bis jetzt reichte es ihm vielleicht noch, dass sie sich so bereitwillig beschlafen ließ.
    Seine Mutter dagegen hatte begonnen, ihr unverhohlen auf den Leib zu starren, sobald die Zeit reif gewesen war nach der Hochzeit. Schlimm genug, dass sie jeden Handstreich, den sie im Haus tat, kontrolliert hatte, die alte Vettel. Ob die Suppe, die sie für die Gesellen auf den Tisch brachte, nicht zu fett und das Brot nicht zu dick geschnitten war. Sie schien über alles Bescheid zu wissen, was sich unter dem Dach des Hauses tat.
    Jedes Mal, wenn Eugen die schweren Leinenvorhänge des Bettes mit der einen Hand schloss, während die andere schon ihr Hemd hochschob, fürchtete Marietta, die alte Schrickerin hätte ihr Ohr an der Wand, denn ihre Schlafkammer war nebenan. Und so hatte sie regungslos dagelegen und geschehen lassen, was immer auf gleiche Weise geschah, wenn sie Eugens Hände auf ihren Schenkeln spürte. Sein Verlangen befriedigte er mit schnellen Stößen. Nach ihrem fragte er nicht.
    Die Alte hatte sich nicht entblödet, ihr an einem frühen Morgen, während sie ihre Sauermilch schlürfte, zu sagen, dass sie sich in der Nacht ein Kissen unter den Hintern legen sollte. Das würde Wunder wirken.
    Nie vergaß Marietta die Scham, die sie empfunden hatte, und sie hatte es ihr nie verziehen. Im zweiten Jahr ihrer Ehe, kurz vor Michaeli, war die Alte gestorben. In diesem Punkt war Gott Marietta gnädig gewesen.
    Seitdem ließ er sie warten.
    Marietta spürte die vertraute Wut kommen und lief ihr davon. Verließ das Zimmer. Fand auf dem kühlen Flur ihre Beherrschung wieder. Sie musste unten in der Küche nachschauen, ob Wasser auf dem Feuer war. Sie würden wohl Wasser brauchen – war es nicht immer so? Die Gottschalkin würde danach verlangen, und sie wollte nicht unvorbereitet sein.
     
    Erst hatte Marietta geglaubt, sie habe sich doch getäuscht, so still war es dort oben gewesen. Der Geruch des trockenen Strohs war ihr in die Nase gestiegen, und sie hatte niesen müssen. Im Halbdunkel sah sie zunächst nur die ängstlichen Augen des Mädchens und erst dann das dünne weiße Ärmchen, das sich in einer zitternden Bewegung aus dem Wolltuch wand. Mit einer Hand bedeckte das Mädchen das Gesicht des Kindes.
    »Bei Gott, willst du es umbringen?«
    Sie war auf sie zugestürzt, hatte die Hand weggerissen. Im ersten Moment wusste Marietta kaum zu unterscheiden zwischen dem Wimmern des Neugeborenen und dem des Mädchens – es klang wie ein einziger klagender Laut.
    »Ich will Euch keine Schande machen.«
    Sie hatte Mühe, die Worte zu verstehen, und der Widerwille, ihr überhaupt zuzuhören, bereitete Marietta Kopfschmerzen.
    »Ich gehe fort, heute noch. Ich konnte dort nicht bleiben. Bitte seid nicht böse, bitte …«
    Das Gestammel hatte sie wahnsinnig gemacht.
    »Sei still!«
    Ihre Augen mussten sich an das Zwielicht gewöhnen, und dann hatte sie das Blut entdeckt. Sie kniete darin, und es besudelte ihren Rock ebenso, wie es an den Beinen des Mädchens klebte, bis hinunter zu den verdreckten Füßen.
    Marietta war aufgesprungen und hatte versucht, ihre Gedanken zu

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