Die Hebamme
Verwunderung.
Etwas, das so schwach war, nahm ungefragt einen Platz in der Welt ein. Etwas, das viel schwächer war als sie selbst.
Wenn Marietta sich einer Sache widmete, dann konnte sie eine Kraft entwickeln, die die Luft um sie herum zu verdichten schien. Sie schottete sie ab von anderen Menschen und ließ sie als unwirkliche Wesen hinter einer Nebelwand zurück, mit denen sie sich nicht befassen musste. Heute hatte ihr diese Fähigkeit sehr geholfen, und mit allem hatte sie das Gefühl gehabt, auf ein Ziel hinzuarbeiten. Sie hatte das Gefühl, dass etwas Bedeutungsvolles geschah.
In die Brühe, die seit dem frühen Morgen über dem Feuer köchelte, hatte sie Kartoffeln und Kraut geschnitten. Sie arbeitete zügig im Licht des Herdfeuers, während Mattes mit offenem Mund vor sich hinschnarchte und seine schlaffen Lippen ein Geräusch machten, das wie schnelles Flügelschlagen klang.
Sie gab Speck an die Suppe, obwohl kein Samstag war, aber sie schnitt ihn dünn wie immer. Möglicherweise würde es die Bediensteten wundern, und wahrscheinlich würden sie es schweigend zur Kenntnis nehmen, zumindest in Anwesenheit der Hausherrin. Doch Marietta hatte nicht vor, anwesend zu sein. Sie musste etwas erledigen, und es schien ihr wichtig, alles genau so zu machen, wie sie es jetzt tat.
Das Ding lag im Flur unter der Treppe, die zu den Zimmern im ersten Stock führte. Sie hatte es in die Schürze eingewickelt und sich eine saubere umgebunden, die aus blauem Leinen, der Farbe, die ihre Augen zum Leuchten brachte. Aber das taten sie ohnehin. Seit sie wusste, was zu tun war, besaßen Mariettas Augen den stillen Glanz eines Gewässers, das sich nach einem heftigen Regen wieder glättet.
Sie hatte die neue Magd die anderen rufen lassen, während sie den schweren Topf auf den gescheuerten Tisch brachte. Sie legte die Löffel aus und stellte fünf tiefe Teller hin, für den Gesellen, die beiden Lehrlinge, Mattes und die Neue. Sie schnitt das Brot. Die Fresserei aus einem Topf hatte sie nach dem Tod der Alten sofort abgeschafft. Es widerte sie an, dieses Geschlabber, und sie hatte oft nichts essen können bei dem Gedanken, den Speichel der anderen auf dem Löffel zu haben oder Spuren des Auswurfs, den die Alte stets geräuschvoll in den Rachen hochzog.
Sie hörte die Stimmen auf dem Flur und streckte den Rücken durch. Niemand hielt inne oder unterbrach sein Geplapper.
Die Küche lag jetzt fast im Dunkel. Das schwindende Tageslicht erreichte das Innere des Hauses nicht mehr, und Marietta hätte sich ein wenig herabbeugen müssen, um durch das Fenster noch etwas davon zu sehen. Sie hätte bei dieser Gelegenheit den Karren des Hausierers entdecken können, der neben dem Durchgang zum Hofinneren abgestellt war. In wütender Hoffnung wartete sie auf ihn, Monat für Monat.
Aber sie sah ihn nicht, und sie hatte auch völlig vergessen, auf ihn zu warten.
Sobald die Leute am Tisch saßen, verließ Marietta die Küche. Hinter der Tür erhob sich aus dem Murmeln der Stimmen ein zaghaftes Kichern, das sie unter der Treppe innehalten ließ. Dann griff sie nach dem Bündel und eilte hinüber zur Werkstatt.
Marietta öffnete die schwere Tür nur einen Spalt breit, denn sie kannte die Stelle, an der die Scharniere zu knarzen beginnen würden. Ihre schlanke Gestalt hatte keine Mühe hindurchzuschlüpfen, und leise drückte sie die Tür ins Schloss. Niemand hatte sie gehört, da war sie sicher.
Sie öffnete die Ofentür und wich vor der Hitze des Feuers zurück. Jeder Schlag ihres Herzens schien plötzlich laut im Kopf zu dröhnen, presste ihr den Brustkorb zusammen und machte das Atmen schwer. Die Handflächen wurden feucht von Schweiß und gaben ihr das Gefühl, sie hielte etwas Lebendiges fest. Hastig trat sie einen Schritt vor und warf das Bündel hinein.
Was musste sie jetzt tun? Beten? Die Augen schließen und ihren Wunsch in sich hineinsprechen, so wie man es tat, wenn ein Stern vom Himmel fiel?
»Ich nehme an, Sie sollten das erledigen«, hatte die Gottschalkin gesagt. »Sie wissen, wie damit zu verfahren ist?« Ihr Blick war so freundlich gewesen. Er war ohne jede Warnung in Mariettas Innerstes gedrungen und dort auf ihren Kummer gestoßen.
Natürlich wusste Marietta, was mit einer Nachgeburt zu geschehen hatte. Sie wurde im Keller vergraben oder an einem anderen Ort, sofern er sich unter dem Dach des Hauses befand. Die Nachgeburt durfte das Haus, in dem ein Kind geboren war, nicht verlassen. Das wusste Marietta.
»Sie
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