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Die Hebamme

Die Hebamme

Titel: Die Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cantz Kerstin
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für die Aussaat vorbereitet.
    Aber nichts war so geblieben, wie es war. Vielleicht würde jemand ihren Garten bepflanzen, damit sie Gemüse für den Winter hatte, denn man wartete schließlich auf ihre Rückkehr. Sie hörte die Räder eines Fuhrwerks über eine Brücke rumpeln und wollte ihm nachlaufen. Sie tat es nicht, denn fürs Erste war sie am Ziel.
     
    Ein Fenster wurde über ihr aufgestoßen. Nacheinander klappten im ersten Stockwerk die Flügel aller Fenster auf, ohne dass Gesa einen Menschen entdecken konnte. Eine ungeduldige Männerstimme brachte eine andere zum Schweigen und verlor sich dann.
    »Willst wohl da draußen festwachsen«, sagte jemand.
    Nur schwer konnte Gesa die Züge der Frau erkennen, die ihr die Tür geöffnet hatte. Alles an ihr schien grau zu sein, als sei sie ein massiger Schatten. Sie trug ein dunkles, hochgeschlossenes Kleid und eine lange, helle Schürze, die einige Flecken erkennen ließ.
    »Hättest dir ruhig noch ein paar Wochen Zeit lassen können, wie ich das sehe. Wir sind nicht dazu da, dich durchzufüttern.«
    »Ich weiß nicht, was Sie meinen«, sagte Gesa und fasste ihr Bündel fester. »Ich heiße Gesa Langwasser, und ich bin hier, um die Prüfung zu machen.«
    »Ach was.«
    Die Frau trat einen Schritt vor. Eine weiße Haube bedeckte ihren großen Kopf und das Haar, sofern sie welches hatte. Man konnte Zweifel daran haben, weil das Gesicht so vollkommen nackt aussah. Ihre Augen, die Gesa weiterhin regungslos musterten, lagen darin wie flache Steine.
    »Eine neue Schülerin also.«
    Es war eindeutig Branntwein, den Gesa roch, als sie so dicht vor ihr stand, was unangenehm genug war, und er mischte sich mit einem süßlichen Geruch, der es keinesfalls besser machte.
    »Na los, dann komm mit«, sagte die Frau. »Aber glaub nicht, dass du jetzt eine Hausführung kriegst. Die macht der Herr Professor gern selbst, er legt sogar allergrößten Wert drauf. Dann kann er nämlich seine Regeln mitteilen, die sind ihm sehr wichtig, seine Regeln.«
    Gesa musste dicht bei ihr bleiben, um zu verstehen, was sie sagte. Und sie wollte es verstehen, obwohl sie nicht mehr damit rechnete, dass es sich um etwas Freundliches handeln könnte.
    Das Einzige, was Gesa erkennen konnte, während sie der Frau durch den unteren Teil des Hauses nachlief, war die Küche. Die Wärme des Herdfeuers flog viel zu schnell an ihr vorbei, und sie bemerkte, dass sie hungrig war. Zuletzt hatte sie mittags etwas gepökeltes Fleisch gegessen, ein letztes Stück, das sie in der Speisekammer hatte finden können, bevor sie sich auf den Weg gemacht hatte. Ihre Vorräte waren in diesem Jahr früher aufgebraucht als sonst. Sie hatte Tante Bele zum Schluss jeden Tag eine Fleischbrühe gekocht, jeden Tag, bis zum letzten.
    Über eine dunkle Treppe erreichten sie den ersten Stock. Hinter leicht geöffneten hohen Türen nahm Gesa eine Bewegung wahr. Sie vermutete, dass es ein großer Raum war, der dahinter lag, und plötzlich konnte sie wieder die Neugierde spüren, die in den letzten Wochen stetig in ihr gewachsen war.
    Gesa folgte der Alten durch einen lichtlosen Gang, in dem es kälter war als unten. Hier lagen weitere, wohl kleinere Zimmer nebeneinander, in denen sie gedämpfte Stimmen ausmachen konnte, die verstummten, sobald ihre Schritte sich näherten.
    »Das Lüften ist hier im Hause eine der wichtigsten Regeln, damit du das weißt. Ständig werden die Fenster aufgerissen, und wenn du mich fragst, ist es für nichts gut, als sich gründlich den Hintern abzufrieren. Aber der Herr Professor wird dir seine gelehrte Meinung dazu verkünden, und du wirst tun, was er will. Trotzdem wirst du zuallererst das tun, was ich von dir will.«
    Die Frau öffnete die Tür am Ende des Flurs und wandte sich zu Gesa um.
    »Ich bin die Haushebamme Textor.«
    Mit ihr betrat Gesa eine kleine Schreibstube, in der selbst das wenige schlichte Mobiliar kaum Platz hatte.
    »Und Sie unterrichten uns?« Gern hätte Gesa darum gebeten, sich auf den Stuhl neben der Tür setzen zu dürfen. Ihr taten die Füße weh in Beles Schuhen.
    »Das fehlte noch!« Die Frau lachte freudlos.
    Während ihre Finger unter die Schürze griffen und einen Schlüsselbund hervorzogen, zwängte sie sich an dem Tisch vorbei zum Schrank, und ihre Versuche, das Schlüsselloch zu treffen, misslangen mehrfach.
    »Frau Textor?«
    Die Stimme kam vom Flur, und Gesa fragte sich, ob der Mann, der jetzt im Türrahmen auftauchte, sich genähert hatte, ohne den Boden zu berühren.

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