Die Hebamme
ordnen.
Eugen war mit einer großen Warenlieferung unterwegs, die er bei einem vielversprechenden Kunden persönlich abliefern wollte. Er würde erst in zwei Tagen wieder zurück sein. Auf keinen Fall wollte sie, dass Eugen erfuhr, dass unter seinem Dach ein Kind geboren worden war.
Aber was, wenn ein Kind starb in diesem Haus, auch wenn es nur der Bastard einer Magd war? Noch immer verstand sie nicht, welche Schuld sie auf sich geladen hatte, dass Gott sie so hart strafte. Damit er ihr gnädig war, musste sie jetzt das Richtige tun.
Als sie das Mädchen verlassen hatte, um nach der Hebamme zu schicken, begann es, das Kind zu wiegen und ein Schlaflied zu summen. Marietta waren Tränen in die Augen geschossen. Sie hatte nichts dagegen tun können.
Sie hasste das Mädchen dafür.
Elgin Gottschalk trug einen Vornamen, der das Erste einer Reihe von Rätseln war, das ihre Person anderen über sie aufgab. Irgendwann in Marburg aufgetaucht, scheinbar aus dem Nichts, war sie nach der Vorstellung beim Stadtphysicus als Hebamme anerkannt worden. Eine Verpflichtung in städtische Dienste hatte sie höflich abgelehnt. Ihr genaues Alter wussten nur die wenigen, die direkt danach gefragt hatten. Sie war nicht verheiratet und daher kinderlos, was für eine Frau ihres Berufsstandes nicht ausgeschlossen, aber dennoch ungewöhnlich war.
Nichts hatte aber verhindern können, dass Elgin mit den Jahren in ihrem Wissen und Tun außerordentlich geschätzt wurde. Selten kam es vor, dass man sie hinzuzog, wenn sich die Dinge so zugetragen hatten wie hier. Wenn es vorkam, war es meistens ein Zufall. Was es heute war, wusste Elgin Gottschalk nicht zu deuten, ebenso wenig wie das widersprüchliche Verhalten der Töpferin.
Beinahe schüchtern hatte ihr die junge Hausherrin zur Begrüßung die Hand gereicht. Ihr zunächst offener Blick war der eines neugierigen Kindes. Eine hübsche Person, ohne Zweifel, wäre da nicht diese Unzufriedenheit in ihrem Gesicht. Sie hatte dem alten Knecht sein warmes Bier auf die Ofenbank in der Küche gestellt und eilfertig die Tür hinter ihm geschlossen.
Draußen hatte sie die Stimme zu einem Flüstern gesenkt, sie durch einen dunklen Flur hinaus zur Rückseite des lang gestreckten Fachwerkhauses geführt. Fast war es Elgin Gottschalk vorgekommen, als sei die Frau auf Zehenspitzen gegangen, um bloß nicht das Federvieh im Hof aufzuscheuchen. Eigenhändig hatte sie einen Holzzuber mit dampfendem Wasser die Stiege hinaufgetragen, um dann dazustehen wie Lots Weib. Elgin konnte hören, wie sie den Atem ausstieß.
Das Neugeborene dagegen atmete flach und mühevoll.
Die Nabelschnur war mit einem groben Flachsfaden unterbunden worden und hatte nachgeblutet, weshalb Elgin Gottschalk sie erneut abbinden musste, bevor sie den Strang durchschnitt und die Enden mit ölgetränkten Leinenläppchen versorgte.
Der Lichtkegel über ihr war mehrfach ins Wanken geraten, und das hatte bei den ersten Handgriffen Zeit gekostet. Sie hatte die Hausherrin ermahnen müssen, die Lampe ruhig zu halten. Es schien ihr schwer zu fallen, und als Elgin einige Halme von der Nachgeburt zupfte, die das Mädchen neben sich unter das Stroh geschoben hatte, war es plötzlich dunkel geworden. Elgin musste sich auf ihren Tastsinn verlassen, um das kalte Gewebe auf seine Vollständigkeit zu überprüfen.
Schließlich nahm sie Marietta Schricker die Lampe aus der Hand und versuchte nicht weiter, ihre Anweisungen wie Bitten klingen zu lassen. Die Frau hatte den Atem angehalten. Erst als Elgin ihre Worte mit einem Lächeln entschärfte, wandte sie sich ab. Sie war gegangen, als hätte sie jemand an einem starken Seil herumgerissen.
Es zog durch alle Ritzen, immer wieder wirbelte trockene Spreu auf. Die Wärme flog in flüchtigen Schwaden über dem Holzbottich davon. Das kurze Bad hatte der Haut des Kindes etwas Farbe gegeben, und mit festem Druck strich Elgin über seine dünnen Glieder. Sie wickelte es in einen Lappen, den die Hausherrin benutzt hatte, um den Bottich zu tragen, und begegnete den Augen des Mädchens. Es hatte seinen Namen geflüstert, als sie danach fragte, und war sofort wieder verstummt.
Lene hieß sie also, und sie zitterte vor Schwäche. Elgin Gottschalk hob die Wolldecke an und schob ihr das Kind in die Arme.
»Leg ihn an die Brust. Da, an deiner linken kann er deinen Herzschlag hören.«
Lene löste sich aus ihrer Starre. Zum ersten Mal war in dem jungen Gesicht etwas anderes zu sehen als Angst. Es war
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