Die Heilerin des Kaisers
Bratens, Wildbrets, Schweines oder Geflügels benutzte der König, wie alle übrigen Herren, das scharf geschliffene Messer, das er wie sie stets in einer Lederscheide am Gürtel trug.
Nur der König und seine Familie speisten von silbernen oder goldenen Tellern. Eine Ehre, die auch Frau Irmintraut als Base der Königin zustand. Heute allerdings genoss auch der heilige Vater dieses Privileg. Alle anderen erhielten von den Dienern große, dicke Brotscheiben vorgelegt, die als Unterlage für Fleisch und Soße dienten.
Nach der Mahlzeit wurde das übrig gebliebene Brot von Dienern und Mägden in Körben eingesammelt und an die Armen vor dem Eingangstor verteilt.
Griseldis hörte auf einmal im Stimmengewirr Frau Irmintraut laut ausrufen: »Warum macht man sich bei uns bloß diese Mühe? Ich werde das niemals verstehen, Vetter!« Sie wandte sich an ihren Tischherrn, den König.
»Die meisten Fürsten werfen die Brotreste nach der Mahlzeit unter dem Tisch den Hunden zu. Wobei manche Edle sich überdies den Spaß erlauben, auch Bettlern Einlass zu gewähren und sie gemeinsam mit den Hunden sich um die Brotreste auf dem Boden balgen zu lassen. Das sieht urkomisch aus, glaubt mir, Vetter.«
Wie Griseldis und jedermann im Saal wusste, war an König Heinrichs Hof diese Unsitte verpönt. Diese Tatsache war Frau Irmintraut wohl bekannt. Der König wies sie daher etwas ungehalten darauf hin, dass er auf diesen Anblick wahrlich keinen Wert lege. Irmintraut hatte es einfach gefallen, ihn wieder einmal zu provozieren…
KAPITEL 57
G RISELDIS WAR AUFGEFALLEN , dass sich bei Hofe im Laufe der Jahre die Angewohnheit eingeschlichen hatte, französische Begriffe lateinischen Ursprungs zu benutzen und in eine gepflegte Unterhaltung einzuflechten.
Etliche Herren und Hofdamen hatten wie selbstverständlich begonnen, die Königin mit »Madame« zu titulieren. Kunigunde ließ sie gewähren, ja, sie selbst baute mitunter auch französische Wörter in ihre Rede ein, während König Heinrich auf die Anrede »Sire« immer noch einigermaßen überrascht reagierte.
Griseldis’ Buch Ars Medicinae ging allmählich seiner Vollendung entgegen. Nur noch wenige Kapitel mussten mit Illustrationen ausgestaltet werden, dann war das Werk abgeschlossen. Heute gönnten sich beide eine Auszeit, um das herrliche Spätsommerwetter zu genießen.
Berchtold und Griseldis unternahmen einen gemächlichen Spaziergang am Flussufer der Regnitz und unterhielten sich wieder einmal über Heinrich und Kunigunde.
»Der König und seine Gemahlin sind durch echte Freundschaft, beiderseitiges Wohlwollen sowie den Gleichklang ihrer Herzen einander zutiefst verbunden«, sagte der Mönch bewundernd. »Der König sucht die Nähe, den Rat und manchmal auch Trost bei seiner klugen und hochherzigen Frau, die ihm immer verständnisvoll zur Seite zu steht.«
»Kunigundes mäßigendem Einfluss haben es viele zu verdanken, wenn Herr Heinrich strenge Urteile abmildert oder nicht selten ganz auf eine Bestrafung verzichtet«, meinte Griseldis.
»Das ist wohl wahr.« Der Benediktiner stützte sich schwer auf den Arm der Heilerin. »Der König hat seine Gemahlin noch nie als herrisch, rechthaberisch oder aufdringlich empfunden. Unsere hohe Frau versteht es, ihn mit klug durchdachten Ratschlägen zu überzeugen.«
Nach einer Weile fügte er leise hinzu: »Daher ist es Frau Kunigunde auch gelungen, dem üblichen Schicksal unfruchtbarer Königinnen zu entgehen. Heinrich hat es rundweg abgelehnt, sein Weib nach altgermanischer Sitte zu verstoßen; er ist nach römischem Recht mit ihr verheiratet geblieben. Allerdings wird er auf die Ausübung seiner ehelichen Rechte mit ihr verzichten. Offiziell«, fügte er hinzu.
»Ach! Warum das denn?«
Griseldis war in der Tat überrascht. Das Herrscherpaar war noch jung und die Königin eine Frau in ihrer schönsten Blüte.
»Die Kirche duldet keinen ehelichen Verkehr zur bloßen Wollustbefriedigung von Mann und Frau, sondern nur zur Zeugung von Nachkommenschaft. Und da der König gesagt hat, er mache sich keine Hoffnung mehr auf einen Sohn, und weil er und seine Gemahlin das Bistum Bamberg CHRISTUM und der Kirche als Erbe vermachen wollen, ist der eigentliche Zweck ihrer ehelichen Beiwohnung hinfällig geworden.«
In Griseldis’ Ohren klang dies ein wenig arg konstruiert und sie überlegte sich gerade, wie der König dieses Gebot der Kirche wohl aufgenommen habe.
»Just in diesem Augenblick ist Bischof Eberhard beim König
Weitere Kostenlose Bücher