Die Heilerin des Kaisers
niemand vorstellen. Totenstille war erst in dem Augenblick eingetreten, als Griseldis sich ans Bett des Königs gesetzt hatte und ihre Handflächen ganz leicht auf den Lenden des Herrschers ruhen ließ. Nun hielt sie ihre Augen geschlossen; ihr schönes, ebenmäßiges Gesicht blieb unbewegt, während ihre heilende Kraft in Herrn Heinrichs gepeinigten Körper strömte.
Wieder einmal erlebte die Verwandte Frau Kunigundes mit, auf welch unspektakuläre Weise die Heilerin ihr gottgefälliges Werk verrichtete.
Bereits nach wenigen Minuten entspannte sich das bleiche, verzerrte Antlitz des Königs und gewann an Farbe. Und als nach einer halben Stunde der bohrende und pochende Schmerz aus Heinrichs Leib ganz verschwunden war, konnte Frau Irmintraut nicht anders, als der verhassten Konkurrentin ihre Hochachtung auszudrücken.
»Es ist bewundernswert, Witwe Griseldis, wie Ihr das wieder einmal gemacht habt. Mein Vetter kann froh sein, Euch als Heilerin zu haben – wenngleich mir die Herkunft Eurer geheimen Kräfte nicht so ganz geheuer erscheinen will.«
Diese Spitze hatte sich Frau Irmintraut nicht verkneifen können. Griseldis aber war zu erschöpft, um dem boshaften Weib angemessen zu antworten. Vater Berchtold sprang umgehend für sie in die Bresche.
»Mir dünkt es sehr eigenartig, Dame Irmintraut, dass Ihr es nicht fassen wollt, dass die heilenden Hände der Medica Herrn Heinrichs ausschließlich von GOTT, dem Allmächtigen, stammen. Weshalb fällt es Euch nur so schwer, an die Allmacht unseres HERRGOTTS zu glauben, bei dem doch, wie gute Gläubige wissen, kein Ding unmöglich ist?«
Die Base der Königin war im ersten Augenblick sprachlos über diese, in ihren Augen perfide, Verdrehung der Tatsachen. Sie hatte doch nur Zweifel an der Lauterkeit der Heilerin wecken wollen und nun hatte dieser alte Fuchs von Benediktiner es so gedeichselt, dass stattdessen an ihr ein Makel zu kleben schien.
Aber ehe sich ein unerfreulicher Disput im königlichen Gemach entspinnen konnte, wies die Königin alle, mit Ausnahme der beiden Patres und der Heilerin, aus dem Raum. Herr Heinrich war zwischenzeitlich in einen heilsamen Schlaf gesunken.
Am nächsten Morgen erwachte der König, als wäre nichts gewesen. Es würde ein triumphaler Tag für Herrn Heinrich werden – überdies feierte er an diesem denkwürdigen Tag seinen vierzigsten Geburtstag.
Sein langjähriger Traum von einem Bistum Bamberg mit einem herrlichen Gotteshaus war in Erfüllung gegangen.
Die prunkvolle Einweihung, verbunden mit der feierlichen Einsetzung des Kanzlers und Bischofs Eberhard in sein Bistum, sowie die daran anschließenden mehrtägigen Festlichkeiten sollten allen Teilnehmern ihr Leben lang in Erinnerung bleiben.
Bei Griseldis mischte sich allerdings ein bitterer Wermutstropfen in die Feierstimmung: Gedachte sie doch an diesem Jubeltag ihres unglücklichen Ehemannes Konrad, dem dieser prachtvolle, weit über das fränkische Land hinwegschauende Bau einst den Tod beschert hatte.
Nicht nur für Meister Konrads Seelenheil, auch für das ihrer Eltern betete die Heilerin voll Inbrunst und sie erhob ihren Blick hinauf zum runden Gewölbe der Apsis über dem Hochaltar, der unter dem Blumenschmuck beinahe verschwand.
Und noch jemand wurde ihrer innigen Fürbitten teilhaftig: der König. Inständig bat Griseldis den HERRN im Himmel für Herrn Heinrichs Wohlergehen und weitere gesegnete Regierungsjahre.
»Nach alter, kanonischer Weisung dürfen Bischöfe ihren Sitz nicht auf dem Land, sondern nur in befestigten Orten haben. Eine Ausnahme bilden lediglich Wander-und Missionsbischöfe.«
Vater Berchtold hörte, wie sich der ehrwürdige Erzbischof von Mainz mit dem König und mehreren weltlichen Edelleuten unterhielt. »Vor allem aber muss das Domus dei, das Haus Gottes, an einem sicheren Platz stehen, in einer ummauerten Siedlung.«
»Im Grunde ist jedem Bischof diese Vorschrift nicht unlieb – wer von den hohen Herren würde schon gerne auf dem platten Land leben? Genauso verhält es sich mit der Vorschrift, wie ein Bischof sich an einem hohen Feiertag zu kleiden hat.«
Der alte Benediktinermönch, gestützt auf den Arm der Heilerin des Königs, beäugte dabei äußerst kritisch die auffällig prunkvoll gewandete Schar der Kirchenfürsten. Man vertrat sich nun nach der mehrere Stunden andauernden Messe im Dom im Park der Hofhaltung zu Bamberg ein wenig die Beine. Ein Teil der erlauchten Gästeschar hatte den reizvollen Spazierweg unten am
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