Die Heilerin des Kaisers
Straßen hatte man Teppiche aus Blüten gelegt, um den Fuß des Papstes nicht im Staub versinken zu lassen. So weit das Auge reichte, wehten bunte Fahnen und farbenfrohe Bänder, die Menschen, auch die ärmsten, hatten sich herausgeputzt und ihr bestes Gewand angelegt.
Der König hatte auch eine Schar von fahrenden Sängern in die Pfalz nach Bamberg geladen, um das Fest durch Lauten-, Flöten-, Viola-und Harfenklänge zu untermalen. Wie Griseldis erkannte, hatte einer der Musikanten sogar eine tragbare Orgel dabei, während ein anderer das Rebec, eine Art Violine, strich.
Sogar ein Spielmann aus Andalusien hatte sich eingefunden und ließ seine Gitarre erklingen, wozu er feurige Lieder von der Liebe zum Besten gab und schwermütige Balladen von Verlassenheit und Tod.
»Signore Giacomo, dieses Mal habt Ihr aber ernstzunehmende Konkurrenz bekommen«, sagte die Heilerin lachend zu dem Mann aus Lucca, der in gespielter Verzweiflung die schwarzen Augen rollte.
»Ich werde mir große Mühe geben, unseren König nicht der Gefahr auszusetzen, sich für seinen Hofmusikanten schämen zu müssen«, erwiderte er und zwinkerte Griseldis zu.
Am Nachmittag hatte man draußen auf der Wiese unter Obstbäumen Reigen getanzt und »Blinde Kuh« gespielt, ein fröhlicher, harmloser Zeitvertreib, der den Erwachsenen großen Spaß bereitete. Frau Irmintraut hatte es, wie Griseldis’ scharfem Blick nicht entgangen war, mit verbundenen Augen weidlich ausgenützt, die mitspielenden jungen Herren abzutasten, sowie sie es im Gegenzug zu genießen schien, selbst gründlich befingert zu werden…
Der König, die Königin und ihr geschätzter Gast – Heinrich lag viel daran, sich diesen Papst geneigt zu machen – hatten sich währenddessen im Schatten niedergelassen und geplaudert.
Nun kamen die Vorträge heiterer Balladen und launiger Gesänge an die Reihe, deren Themen stets die Frauen und die Liebe waren.
Die Königin war strahlender Mittelpunkt des Festes. Griseldis hatte zu ihrer großen Genugtuung bereits zu Beginn festgestellt, dass an diesem Tag ihre Base ihr keinesfalls den Rang ablaufen würde. Irmintraut sah heute abgespannt und müde aus.
Kunigunde aber war wunderschön in einem langen, weich fallenden Gewand aus himmelblauem Seidenstoff, das sich an ihren schlanken Körper schmiegte und auf der linken Schulter von einer goldenen, mit dunkelroten Rubinen besetzten Fibel gehalten wurde.
Auf dem Haupt trug sie ihre weizenblonden Flechten wie eine Krone aufgesteckt – so war es dem König am liebsten –, durchflochten mit Goldbändern. Ihre Ohren sowie der Hals und die Arme waren mit Juwelen geschmückt, desgleichen die Finger ihrer linken Hand, während an der rechten nur der schlichte Reif aus Gold, den sie immer trug, zu sehen war.
Den hatte ihr vor Jahren Herzog Heinrich am Tage ihrer Eheschließung übergestreift. Er stammte von Gisela von Burgund, der Gemahlin des Zänkers, Heinrichs verehrter und geliebter Mutter.
Kunigunde strahlte und schien voll blühenden Lebens.
›Keiner im Saal wird ihr ansehen, dass sie noch vor wenigen Wochen erneut mit dem Tode gerungen hat, von Schmerz gepeinigt, geschwächt von Blutverlust und niedergedrückt von der wiederholten, vergeblichen Hoffnung auf ein Kind‹, dachte Griseldis. Und wieder war sie auch bei dieser Fehlgeburt Kunigundes nicht konsultiert worden…
In diesem Moment hörte die Heilerin, wie die Königin zum Heiligen Vater sagte: »Dass ich noch lebe und dass es mir so wohl ergeht, verdanke ich zuallererst GOTT, dem HERRN, und dann der Fürsorge und Pflege meiner lieben Schwester, Prinzessin Irmintraut.« Dabei küsste sie ihre blutrot gekleidete Base, die mittlerweile neben Frau Kunigunde Platz genommen hatte, dankbar auf den Mund.
Der Papst, die Gefolgschaft von Königin und König sowie die zum Fest geladenen hohen Kirchenmänner applaudierten höflich. Auch König Heinrich schien zufrieden.
Er erwählte Kunigundes Verwandte für diesen Abend zu seiner Tischdame. Als Griseldis dies vernahm, versetzte ihr die Wahl des Königs einen kleinen Stich der Eifersucht. Es bedeutete, dass der König ihr beim Mahle die feinen Bissen der aufgetragenen Köstlichkeiten in den Mund zu schieben hatte, denn nach wie vor aßen auch Fürsten und Könige Fleisch-und Fischstücke mit den Fingern.
Große Löffel waren nur bei der zu Beginn einer Mahlzeit servierten Suppe in Gebrauch, sowie kleine Löffelchen für Fruchteisspeisen oder Kompott zum Dessert. Zum Zerteilen des
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