Die Heilerin des Kaisers
im hinteren Teil des Gotteshauses auf sie gewartet.
Der alte Mönch warf ihr draußen einen neugierigen Blick zu. Er fragte nichts, aber an ihren Augen erkannte er, dass das Gebet sie gestärkt haben musste.
»So gut, wie Ihr dem Herzog und dem König gedient habt, so wohl werdet Ihr, mit GOTTES Hilfe, Euren Dienst am Kaiser verrichten, mein Kind«, sagte er mild und Griseldis neigte lächelnd das Haupt.
Oh, ja, die kommenden zehn Jahre würde sie an der Seite Heinrichs verbringen, um ihm sein schweres Schicksal zu erleichtern – auch wenn sie die Ehefrau des Grafen von Lanzheim wäre.
Starr blickte sie dann Vater Berchtold in die klugen, von unzähligen Runzeln umgebenen Augen. Es schien dem alten Mönch, als blicke sie bis in sein Herz hinein und weit darüber hinaus: bis in die Ewigkeit.
»Was ist dir, Tochter?«, fragte der Benediktiner und fröstelte plötzlich. Als Griseldis betroffen schwieg, flüsterte Berchtold mit seltsamer Hellsichtigkeit: »Hast du ihn schon hinter meinem Rücken gesehen, den grauen Freund, der uns alle einst erwartet, wenn wir an unserem Ziel angekommen sind? Ich ahne wohl, dass er bereits dicht hinter mir steht.«
Die Edle von Tannhofen zuckte schmerzlich zusammen. In der Tat, hinter dem vom Alter gebückten Benediktiner – er hatte vor Kurzem seinen siebenundsechzigsten Geburtstag gefeiert – war unversehens eine hohe, in einen grauen Umhang gehüllte Gestalt aufgetaucht. Und diese hatte gleichsam als Bestätigung ihrer traurigen Vision ihre knochige Hand auf Vater Berchtolds greisenhaft schmal gewordene Schulter gelegt…
Inzwischen löste sich die Erscheinung auf wie Rauch im Wind und Griseldis war um Gleichmut bemüht.
»Sagt doch so etwas nicht, Pater«, bat sie. »Von kleinen Alterswehwehchen abgesehen, seid Ihr noch rüstig und werdet noch lange leben.«
Im selben Augenblick, als sie es aussprach, war ihr bewusst, dass sie die Unwahrheit gesprochen hatte. Und sie sah, dass ihr alter Freund es ebenfalls wusste. Griseldis wurde von Trauer erfasst und Tränen verschleierten ihren Blick.
»Ich hoffe, dass der Todesengel mir noch Zeit lässt, bis wir alle wieder in Bamberg sind. Dann bin ich bereit, mit dem Grauen zu gehen. Im Himmel werde ich dann auf meinen kaiserlichen Herrn warten.«
Dann räusperte sich der alte Mönch und verstummte für längere Zeit. Plötzlich lächelte er verschmitzt: »Aber bei deiner Hochzeit, liebes Kind, da werde ich noch dabei sein und es mir gut gehen lassen. Ja, sogar tanzen werde ich mit dir, der schönsten Braut, die es je in Bamberg gegeben hat.«
EPILOG
A M 13. J ULI 1024 – gut zehn Jahre nach seiner Krönung in Rom und etliche Monate nach dem Ableben von Papst Benedikt VIII. – starb Kaiser Heinrich II. erst einundfünfzig Jahre alt. Er verschied nach dem Empfang der heiligen Sterbesakramente in der Pfalz Grone in den Armen seiner geliebten Gemahlin, der Kaiserin Kunigunde, die rechtzeitig vor seinem Tod an sein Sterbebett geeilt war.
»Unter Anteilnahme gewaltiger Menschenmengen«, wie sein Chronist, der Bischof Thietmar von Merseburg berichtete, »brachte man seine sterblichen Überreste nach Bamberg. Die Menschen am Wegesrand weinten und sanken im Staub der Straßen auf die Knie, als der Leichenzug des Kaisers an ihnen vorüberzog. Sie beteten für Heinrichs Seele, dass der HERR ihm gnädig sein möge, und gleichzeitig baten sie GOTT um einen nächsten, ebenso guten Herrscher, wie Kaiser Heinrich II. es gewesen ist.«
NACHSATZ
D EM B EHARRUNGSVERMÖGEN DER wundergläubigen Bamberger ist es zu verdanken, dass, im Jahre 1146, Kaiser Heinrich II. der Stifter ihres Bistums und des Domes, von der Kirche offiziell als Heiliger anerkannt wurde.
Bereits unmittelbar nach seiner Beisetzung hatten sich gewisse Wundertaten ereignet, die man dem geliebten Herrscher zuschrieb. Als Beweis seiner heiligmäßigen Lebensführung wurde unter anderem ausgerechnet seine Kinderlosigkeit herangezogen, die man wiederum als Ergebnis seiner, von ihm so verabscheuten, Josephsehe ansah.
Bei seiner Gemahlin sollte es bis zum Jahre 1200 dauern, ehe auch Kunigunde »zur Ehre der Altäre« gelangte. Bei ihrer Anerkennung als Heilige spielten neben vielen anderen Dingen ihr tugendhaftes Witwendasein als Nonne im von ihr gestifteten Benediktinerinnenkloster Kaufungen eine Rolle sowie ganz maßgeblich das Gehen mit bloßen Füßen über glühende Pflugscharen, das einst angeblich ihre Unschuld bezeugt hatte – also jenes Ereignis, welches
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