Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Heilerin des Kaisers

Die Heilerin des Kaisers

Titel: Die Heilerin des Kaisers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
Vom Netzwerk:
Fluss gewählt.
    In der Tat, die Bischöfe und Erzbischöfe boten ein prächtiges Bild mit ihrem weißen Rochett, dem Talar aus reiner Seide, mit den engen Ärmeln, darüber die rote, mit weißen und goldenen Fäden bestickte Kasel, die frei über die Brust fiel und über den Rücken hinab bis zu den Kniekehlen reichte.
    Dazu hatten die Herren die goldbestickte Mitra auf dem Kopf und hielten jeweils den Krummstab aus vergoldetem Hartholz als Zeichen ihres Hirtenamtes in der Hand, während sie an den Füßen feine, rote Pantoffeln aus Ziegenleder mit Silber-und Goldstickereien trugen. Bei jedem funkelten ein wertvolles, mit kostbaren Juwelen besetztes Kruzifix auf der Brust sowie ein goldener, mit einem riesigen Edelstein verzierter Ring am Finger der rechten Hand.
    So unterschieden sie sich doch deutlich von den einfachen Priestern, die heute am Feiertag eine knöchellange Albe aus weißem Leinen oder heller Wolle trugen und über den Schultern das mehr oder weniger aufwändig bestickte Rund einer festlichen Leinenkasel.
    »Einige der hohen geistlichen Herren übertreiben es schon mächtig mit dem Aufwand, den sie mit ihrem Gewand und ihrem Schmuck treiben«, mäkelte Vater Berchtold ganz ungeniert. »Ein kleines bisschen Mehr an Bescheidenheit stünde ihnen ganz gut zu Gesicht.«
    »Ach was«, amüsierte sich der König, der die Kritik des Paters gehört hatte. »Ein Armutsgelübde haben die Herren Bischöfe und Erzbischöfe ja nicht abgelegt. Um die Würde ihres geistlichen Amtes zu unterstreichen, kann man den ehrwürdigen Kirchenmännern ruhig einen gewissen Prunk zugestehen.«
    »Gewiss, Herr«, stimmte der Mönch, der seit Jahrzehnten seine schlichte Kutte trug, zu. »Aber ich bleibe dennoch dabei: Manche der Eminenzen schießen über das Ziel hinaus.«
    »Sei’s drum«, meinte Heinrich lakonisch, »Hauptsache, sie vergessen niemals, wer sie auf ihren Bischofs-oder Abtsstuhl gesetzt hat. In diesem Falle mögen sie sich meinetwegen kleiden, wie sie wollen.«
    Vater Berchtold nickte zwar, murmelte aber eigensinnig vor sich hin: »Trotzdem finde ich es merkwürdig, dass der hohe Klerus solch ein Wesen von sich macht, wenn man bedenkt, dass unser aller HERR, nämlich JESUS CHRISTUS« – dabei bekreuzigte er sich –, »nur ein schlichter Zimmermann aus Nazareth gewesen ist und ein einfaches Gewand aus grober Wolle getragen hat.«
    Die hohen Herren, einschließlich des Königs, lachten erheitert auf. Und damit behielt der starrköpfige Benediktiner wieder einmal das letzte Wort. Im Geheimen pflichtete Griseldis ihm bei. Im Laufe der Jahre hatte sie viele Angehörige der hohen Geistlichkeit kennengelernt und sie wusste daher mit Gewissheit, dass deren Aufwand zum geringsten Teil der Ehre GOTTES diente, sondern der Befriedigung der Eitelkeit dieser Herren.
    Als sie daher den Pater etwas von »eitlen Pfauenhähnen« brummen hörte, drückte sie verständnisvoll seinen Arm und kämpfte mühsam gegen ein Lächeln an. Auch Herr Heinrich hatte die leise zur Heilerin gesprochenen Worte des Mönchs gehört. Er drohte ihm daher scherzhaft mit dem Finger:
    »Pater, Pater! Ihr solltet nicht immer das Schlechteste von Euren Glaubensbrüdern vermuten. Wo bleiben Eure Nächstenliebe und Eure christliche Demut?«
     
     

KAPITEL 59
     
    N ACH DEM ERLESENEN Mahle, bei dem man alles aufgefahren hatte, was der Oberste Hofkoch sich an Köstlichkeiten ausdenken konnte, saß man noch lange zusammen, um sich bei funkelndem Weine und munterem Geplauder den Genüssen der Musik hinzugeben.
    Eben machte ein fahrender Sänger sich bereit, sein rundum gesättigtes Publikum mit einem Lied, das im Sankt Gallener Raum schon zu Zeiten Kaiser Karls entstanden war, zu erfreuen.
    Signor Giacomo, der hier quasi das Hausrecht als Musikant und Sänger genoss, war keineswegs eifersüchtig auf seine Sangeskollegen – hatte er doch beim gestrigen Sängerwettstreit vom frühen bis zum späten Nachmittag als Bester unter zwei Dutzend Vortragenden abgeschnitten und war von der Königin mit einem Lorbeerkranz und einem Kuss auf die Wange geehrt worden.
    Da der Abend noch jung und die Gemüter noch nicht zu sehr erhitzt von Wein, Bier und Met waren – und zudem Frau Kunigunde mit ihren Damen in der Halle noch anwesend –, erwies sich das Dargebotene nicht als zu derb und anzüglich, sondern fand durchaus den Beifall der sittenstrengen Herrscherin sowie der geistlichen Herren.
    Der Sänger, ein noch junger Mann mit ungewöhnlich grauem Haar, der bereits

Weitere Kostenlose Bücher